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schieden wären. Auch dies entspricht nicht dem Sinn der Reichs-
verfassung. Art. 18 kennt offensichtlich nur eine Art der Ab-
stimmung, diejenige im Sinn der Abs. 3—5, die einschließlich
Abs. 4 Satz 1 in untrennbarem Zusammenhang stehen. Für eine
zweite Art der Abstimmung auf Grund des Abs. 1 ist weder eine
verfassungsmäßige Grundlage vorhanden, noch, wie später noch
kurz näher darzulegen, ein Bedürfnis.
Der Annahme einer Abstimmungsinitiative des Reichs steht
endlich noch das Bedenken entgegen, daß eine solche logisch gar
nicht auf die Reichsregierung beschränkt bleiben könnte. Gibt
es sie überhaupt, so wird die Legitimation zu ihr durch das Recht
der Initiative zu Reichsgesetzen vermittelt. Dieses Recht eignet
aber nicht allein der Reichsregierung, sondern gleicherweise dem
Reichstag und materiell auch dem Reichsrat. Es wäre daher die
Konsequenz unabweisbar, daß auch diese Herbeiführung einer
Volksabstimmung über eine angeregte territoriale Veränderung
verlangen könnten. Hier würde sich die Frage erheben, ob der-
artige auf Herbeiführung einer Abstimmung gerichtete Beschlüsse
von Reichstag oder Reichsrat unter den Bedingungen der Ver-
fassungsänderung ergehen müssen. In logischer Fortentwicklung
des Gedankens, daß schon Abs. 1 eine Befragung der Bevölkerung
durch Abstimmung rechtfertige, würde man die Befugnis, die An-
ordnung der Abstimmung zu verlangen, schließlich sogar auch
den beteiligten Ländern einräumen müssen; denn auch diese könnten
geltend machen, daß sie bei ihrer Entschließung über Zustimmung
zu der Veränderung den Volkswillen berücksichtigen und daher
auf seine Erforschung durch Abstimmung bedacht sein müßten.
Alle diese Fragen hätten einer Regelung in der Verfassung be-
durft; man kann dem Verfassungsgeber wohl schlechterdings nicht
die Kurzsichtigkeit zutrauen, an ihnen vorbeizugehen. Vielmehr
folgt auch schon allein aus seinem Schweigen hierüber, daß es
nach seinem Willen eine Abstimmung lediglich zwecks Erforschung
des nicht aus der Bevölkerung selbst emporgetragenen Willens