Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

8 — 
Vor der Revolution galt $ 231 der Neuen Landschaftsordnung vom 
12. Oktober 1832, nachdem Verfassungsstreitigkeiten durch ein „Kompro- 
mißgericht“ entschieden werden sollten. Diese Vorschrift ist ausdrücklich 
aufgehoben durch $ 26 zur Aenderung der Neuen Landschaftsordnung vom 
20. Juni 1919 (GVS. 1919 Nr. 86 S. 199). Eine neue Bestimmung über die 
Erledigung von Verfassungsstreitigkeiten ist in der vorläufigen Verfassung 
für den Freistaat Braunschweig vom 27. Februar 1919 nicht enthalten und 
auch sonst nicht erlassen. 
Hiernach muß die Zuständigkeit des vorläufigen Staatsgerichtshofs zur 
Entscheidung des Braunschweigischen Verfassungsstreits für gegeben er- 
achtet werden. 
IV. 
In der Sache selbst ist zunächst zu prüfen, ob das Gesetz vom 15. No- 
vember 1918 überhaupt in rechtswirksamer Weise erlassen worden ist. 
Dasselbe trägt die Unterschrift „Der Arbeiter- und Soldateurat“ 
(ohne weitere Angabe). Aus diesen Worten ist nicht ersichtlich, ob der 
Arbeiter- und Soldatenrat der Stadt oder des Landes Braunschweig 
der Gesetzgeber gewesen ist. Allein im Gesetz selbst wird ausdrücklich 
unterschieden zwischen den Orts-, Arbeiter- und Soldatenräten einerseits 
sowie dem Landes- Arbeiter und Soldatenrat andererseits (3 4, 7). Diese 
Unterscheidung des Gesetzgebers spricht für die Annahme, daß das Gesetz 
von einer Personen-Vereinigung ausgegangen ist, welche die Funktionen 
des Arbeiter- und Soldatenrats für das ganze Land ausübte. Hiermit 
stimmt auch die sonst übliche Gesetzessprache überein, welche den Arbeiter- 
und Soldatenrat des Landes Braunschweig kurzweg als den Arbeiter- und 
Soldatenrat bezeichnet, vgl. GVS. 1918 S. 263, 266, 267, 279, 301, 302, 303, 
304, 305, 306, 307, 309, 327, 428, 329, 350. 
Dieser Arbeiter- und Soldatenrat hat die tatsächliche Herı- 
schaft im Lande Braunschweig längere Zeit hindurch ausgeübt, wie 
in einem Bericht des Rechtsausschusses der Braunschweiger Landesver- 
sammlung vom 4. Februar 1920 ausdrücklich festgestellt ist (Drucksache 
Nr. 313 8. 2). Die von ihm erlassenen Gesetze müssen daher im Lande 
Braunschweig ebenso für rechtswirksam erachtet werden wie die Gesetze 
der Volksbeauftragten im Reiche, vgl. RGSt. Bd. 53 S. 66, Bd. 54 S. 157. 
In Wirklichkeit 'haben auch mehrere Ausschüsse der ersten Landesver- 
sammlung das Gesetz vom 15. November 1918 als rechtsverbindlich aner- 
kannt, nämlich der Ausschuß zur Prüfung von Gesetzen der vorläufigen 
Regierung in seinem Vorschlag vom 22. Mai 1919, der die Zerlegung des 
Gesetzes in zwei Teile bezweckte, und der Rechtsausschuß in seinem Bericht 
vom 4. Februar 1920. Die Landesversammlung selbst hat zweimal Gesetzes- 
vorlagen angenommen, welche die Rechtsgültigkeit des Gesetzes vom 
15. November 1918 zur Voraussetzung haben, nämlich
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.