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betrieb ganz erhebliche Gefahren in sich. Man gibt den Arbeitgeber
nicht nur durch Bewilligung von Mitteln, die aus seiner Tasche fließen,
in die Hand der Arbeitnehmer, sondern man gibt diesen auch die Mög-
lichkeit, durch Anberaumung von Sitzungen der Gemeindeversamm-
lung oder Gemeindevertretung Wirtschaftsstörungen herbeizuführen,
die in kritischen Zeiten, wie z. B. der Ernte, der Wirkung eines Streiks
ähnlich werden können. Entziehung von Arbeitskraft und Schwächung
des landwirtschaftlichen Betriebskapitals ist volkswirtschaftlich vom
Uebel. Den Schaden trägt nicht die Landbevölkerung allein, sondern
die gesamte Bevölkerung. So zeigt sich auch hier, daß die verwal-
tungsrechtliche Maßnahme der Auflösung der selbsändigen Gutsbezirke
weder finanzwirtschaftlich noch volkswirtschaftlich genügend durch-
dacht ist. Fragt man sich, wer durch diese Maßnahme restlos beglückt
werden würde, so ist die Antwort: niemand. Es ist bezeichnend, daß
die sächsische Verordnung v. 31. 12. 1918, die für Sachsen die selb-
ständigen Gutsbezirke aufhebt, die staatlichen Domänen hiervon aus-
nimmt. In der Tat handelt es sich gar nicht um eine Forderung der
beteiligten Landbevölkerung, sondern um eine solche doktrinärer Poli-
tiker, die den tatsächlichen Verhältnissen fernstehen und die jetzige
Stellung des Gutsvorstehers vollkommen verkennen. Letzterer hat
eigentlich nur Lasten; seine herrschaftlichen Befugnisse bestehen in
der Hauptsache darin, im übertragenen Wirkungskreis Listen zu fühen,
zwischen den @utseingesessenen und den staatlichen Behörden zu ver-
mitteln und ausführendes Organ des .\mtsvorstehers als Inhabers der
Ortspolizei zu sein. Wenn man unter diesen Umständen von einer
„feudalpatrimonialen Gestalt der Selbstverwaltung an Stelle der korpo-
rativen“ spricht (Peruss im Handbuch der Politik Bd. I. S. 281), so
trifft das höchstens die rein formaljuristische Gestaltung, nicht aber
das Wesen der Sache. Freilich hat der Aufruf der preußischen Regie-
rung v. 13. 11. 1918 die Beseitigung der selbständigen Gutsbezirke in
Aussicht gestellt. Glaubt man diesen Wechsel einlösen zu sollen, so
würde es doch der Billigkeit entsprechen, die Wünsche der Beteiligten
zu berücksichtigen und nicht radikal die Auflösung sämtlicher Guts-
bezirke anzuordnen. Der rein juristische Schönheitsfehler, daß „Träger
der Selbstverwaltung“ nicht eine Korporation ist, kann allein nicht
ausschlaggebend sein.
Ein weiterer Punkt von wesentlicher Bedeutung ist die in dem
Entwurf der Städteordnung ($ 75) wie der Landgemeindeordnung ($ 66)
gleichlautende Bestimmung: