— 354 —
sehr schwierige Aufgabe übernommen, indem es sich daran machte,
für das Verhältnis von Staat und Kirche in der Schule Grundsätze
aufzustellen. Die Schwierigkeiten lagen und liegen nicht nur in den
äußeren politischen Verhältnissen und in den weit auseinander klaffen-
den Grundanschauungen der Parteien und der hinter ihnen wirkenden
Kreise, sie liegen auch in der Sache selbst. Im Verfassungsausschuß
trafen die Gegensätze scharf aufeinander. Die einzelnen Aeußerungen
bieten für die Auslegung wenig Material. Erkennbar ist wohl die
überwiegende Auffassung, daß das Aufsichtsrecht des Staates auch
für diesen Gegenstand des Schulwesens gewahrt bleiben solle. Nicht
erkennbar aber ist ein klarer und einheitlicher Weg zur Sicherung
der verlangten Uebereinstimmung zwischen Erteilung des Religions-
unterrichtes und den Grundsätzen der betreffenden Religionsgesell-
schaften. Das Geheimnis der Lösung wurde in zweiter Lesung dem
Plenum durch folgende Ausführungen des Berichterstatters Abge-
ordneten Weiß („Die deutsche Nationalversammlung im Jahre 1919“
Hritrronsche Ausgabe Band 6 Seite 4078) unterbreitet.
„Die Frage war: Wer beaufsichtigt?.... So kam man nun
weiter zu der Aufgabe, eine Fassung zu finden, die Leitung und
Beaufsichtigung des Religionsunterrichtes so festzulegen, daß die Mit-
wirkung der Kirche gewahrt, die Selbständigkeit der Schule und die
Staatsaufsicht aber dadurch nicht beeinträchtigt werde. Es lag ein
Antrag vor, der sagen wollte: Die Leitung und Beaufsichtigung über-
nimmt die Kirche. Es wurde dann dieser Antrag ergänzt durch den
Zusatz „Unbeschadet der staatlichen Aufsicht“. Dagegen wurde
geltend gemacht, daß der Auftraggeber doch der Staat ist, daß man
demnach doch nicht davon sprechen könne, daß Aufsicht und Leitung
von der Kirche zu übernehmen sei. Schließlich ist nach privaten und
offiziellen Verhandlungen ein Kompromiß geschlossen worden, dahin-
gehend, der Religionsunterricht wird in Uebereinstimmung mit den
Lehren und Satzungen der betreffenden Religionsgesellschaft erteilt.
Weil man darin aber noch eine Art geistlicher Aufsicht erblicken
wollte, wurde in zweiter Lesung die Fassung angenommen: Der Reli-
gionsunterricht ist den Grundsätzen der betreffenden Religionsgemein-
schaft entsprechend zu erteilen unbeschadet der Aufsicht des Staates.
Die Verhandlungen führten gerade in diesem Punkte zu keinen
für die Auslegung irgendwie behilflichen Aeußerungen.
Da ein die Grundsätze weiterbildendes Reichsschulgesetz bisher
nicht ergangen ist, blieb es den Ländern einstweilen überlassen — und