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war es nicht nur ihr Recht, sondern auch ihre Pflicht — auf Grund
selbstgefundener Auslegung der nun zur Ausführung des Art. 149
erforderlichen Bestimmungen zu treffen. In Bayern geschah das zu-
nächst durch den $ 33 der oben zitierten Verordnung vom 28. August
1919 und neuerdings durch $ 28 des zitierten Gesetzes vom 1. August
1922.
8 23 l. c. bestimmte: „Die staatliche Schulaufsicht erstreckt sich
auch auf die Erteilung des Religionsunterrichtes an den Volksschulen,
in soweit die Ueberwachung der Einhaltung der äußeren Schulordnung,
der Schulzucht und des Schulbesuches in Frage kommt. Der Religions-
unterricht in seinem Inhalte wird in Uebereinstimmung mit den Grund-
sätzen der betreffenden Religionsgesellschaft erteilt.
Die Religionsgesellschaften und ihre Vertreter haben gegenüber
dem Volksschullehrerpersonal, das an der Erteilung des Religions-
unterrichtes mitwirkt, keine dienstaufsichtlichen Befugnisse. Es ist
ihnen aber unbenommen, die staatliche Dienstaufsichtsbehörde anzu-
rufen, wenn Beanstandungen zu erheben sind.“
War das eine Lösung, mit der die Praxis auskommen konnte und
zugleich das Verfassungsrecht gewahrt blieb? Eine allseits befriedigende
Lösung konnte offenbar nur die sein, durch welche einerseits das Auf-
sichtsrecht des Staates unangetastet blieb, andererseits aber auch un-
zweideutig klargestellt war, in welcher Weise die Uebereinstimmung
der Erteilung des Religionsunterrichtes in den Schulen mit den Grund-
sätzen der betreffenden Religionsgesellschaft aufsichtlich sicherzustellen
sei. Man kann nicht behaupten, daß die Vorschriften des $ 33 nach
beiden Richtungen voll genügten. Es muß aber anerkannt werden,
daß die Frage ihrer Lösung um einige Schritte nähergerückt war.
Man kann der Verordnung den Vorwurf nicht ersparen, daß sie, wie
das Sprichwort sagt, den Pelz zu waschen sucht, ohne ihn naß zu
machen.
Der erste Satz spricht dem Staat die Schulaufsicht nur zu, „so-
weit die Ueberwachung der Einhaltung der äußeren Schulordnung, der
Schulzucht und des Schulbesuches in Frage kommt.“ Ungesagt blieb
zunächst, wie es sich mit der staatlichen Aufsicht über die sonstigen
Gegenstände des Religionsunterrichtes, nämlich mit der Gestaltung
des Inhaltes und der Methode der Erteilung verhalte. Gewiß, die
Forderung der „Uebereinstimmung“ wurde gestellt, wörtlich sogar aus
dem Verfassungstexte herübergenommen. Wer aber sollte die Ueber-
einstimmung aufsichtlich sicherstellen? der Lehrer? das staatliche