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fassung führt das Gesetz das Einkammersystem und die Herrschaft des
parlamentarischen Prinzips auch in den Gemeinden durch. Infolgedessen
liegt der Schwerpunkt durchaus in dem Vertretungsorgan der Gemeinde,
dem Gemeinderat, bzw. in der Kreisvertretung, die in den Stadtkreisen die
Bezeichnung Stadtrat, in den Landkreisen die Bezeichnung Kreisrat führt.
Der Gemeindevorsteher, der in den Stadtkreisen den unschönen Namen
Stadtdirektor führt, ist demgegenüber nur „das Vollzugsorgan des Gemeinde-
rats und in Erfüllung dieser Obliegenheit die geschäftsleitende und aus-
führende Behörde der Gemeinde“. Ihm steht mindestens ein Beigeordneter
zur Seite. Gemeindevorsteher und Beigeordnete werden nur für die regel-
mäßige Wahlzeit des Gemeinderats, d. h, auf die Dauer von 3 Jahren ge-
wählt. Ein Beigeordneter kann von der Parteigruppe, die ihn vorgeschlagen
hat, wieder abberufen werden (recall. Prinzipwidrig wird dagegen der
Kreisdirektor, d. h. das Exekutivorgan der Landkreise, nicht gewählt, sondern
vom Staatsministerium ernannt.
Eigenartig ist auch die Regelung der Gemeinde- und Kreisaufsicht.
Sie erfolgt durch die Kommunalkammer, die aus einem Vorsitzenden und
4 Beigeordneten besteht, deren Amtszeit auf 3 Jahre festgesetzt ist. Der
Vorsitzende wird vom Minister des Innern ernannt. Von den Beigeordneten
werden 2 vom Landtag, je einer von den Vorsitzenden der Kreis- und Stadt-
räte gewählt,
Charakteristisch ist schließlich für das Gesetz, daß der Rechtsschutz
durch das Verwaltungsstreitverfahren vor allem die Anrufung des Ober-
verwaltungsgerichts nur in ganz wenigen Fällen vorgesehen ist.
Man wird abzuwarten haben, wie sich diese Neuerungen in der Praxis
bewähren werden.
Außerdem erhält der Band noch das Kreiseinteilungsgesetz vom 16. Juni
1922, die Ausführungsverordnung zur Gemeinde- und Kreisordnung vom
10. August 1922, die Verordnung über Gemeinde-, Stadt- und Kreisrats-
wahlen vom 21. Juli 1922 nebst Ausführungsverordnung und Landtagswahl-
ordnung, das Gesetz über die Dienstbezüge der Gemeindebeamten vom
20. Juli 1922 und das Wohlfahrtspflegegesetz vom 20. Juni 1922. Eine kurze
Einleitung des Herausgebers über die der Neuordnung zugrundeliegenden
Tendenzen ist vorausgeschickt, kurze Anmerkungen sind den wichtigsten
Paragraphen beigefügt. So bildet das Handbuch eine wertvolle Quellen-
sammlung des neuen Thüringer Kommunalrechts.
Eine wissenschaftliche Darstellung des neuen öffentlichen Rechts Thü-
ringens wird uns hoffentlich bald aus berufener Feder beschert werden.
Koellreutter.
Amtsrichter Dr. Walter Merk, Privatdozent an der Universität Freiburg i. Br.,
Badisches Gemarkungsrecht mit besonderer Be-