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Prärogative an die Zustimmung der Reichsregierung gebunden
sei, wie diese nach Art. 54:
Der Reichskanzler und die Reichsminister bedürfen zu ihrer Amts-
führung des Vertrauens des Reichstags. Jeder von ihnen muß zurück-
treten, wenn ihm der Reichstag durch ausdrücklichen Beschluß sein Ver-
trauen entzieht,
des Vertrauens des Reichstages bedürfe ®®. Hier liegt die unge-
mein wichtige Frage zugrunde, ob und wie weit die Reichs-
minister zum Reichskanzler im Verhältnisse des Instruktions-
gehorsames stehen. Jedenfalls leitet der Reichsminister
des Aeußeren innerhalb der einmal bestimmten Richtlinien
32 In der Praxis ist der Einfluß des Kabinettes so bedeutend, daß die
gegenwärtige Regierungsweise des Deutschen Reiches als Kabinettsregierung
im neueren Sinne bezeichnet werden darf, wie sie etwa in England besteht.
Tatsächlich werden fast alle Entscheidungen von Wichtigkeit, auch über
die Richtlinien der auswärtigen Politik, von der Reichsregierung getroffen.
An deren Sitzungen nehmen in auswärtigen Angelegenheiten regelmäßig
nur der Reichskanzler, die Minister, der politische Staatssekretär des Aus-
wärtigen Amtes und der Chef der Presseabteilung, nicht die Abteilungs-
direktoren oder andere Beamte des Auswärtigen Amtes teil, diese nur
ausnahmsweise, etwa wenn es von Wichtigkeit ist, den Stand einer Ange-
legenheit in ihren Einzelheiten zu berücksichtigen. Mit dieser Verlegung
des politischen Schwerpunktes in das Kabinett ist der Einfluß des Aus-
wärtigen Amtes geringer geworden, als es früher war. Das Kabinett
wiederum ist keine völlig homogene Einheit, sondern wird in seinem
Charakter durch die Persönlichkeiten bestimmt, die es bilden. Je nach
der Intelligenz, Arbeitskraft, der Anteilnahme usw. derselben besteht inner-
halb des Gesamtkreises ein engeres Gremium, welches den entscheidenden
Einfluß ausübt. Der geschriebenen steht hier eine ungeschriebene Ver-
fassung gegenüber oder doch zur Seite. Denn wie in Ländern mit alter,
geschichtlich gewordener Verfassung (England) ist auch im Deutschen Reiche
das hier ruhende Problem nicht ein für allemal gelöst, sondern wohl immer,
von anderen Umständen abgesehen, mehr oder minder von der Bedeutung
der verschiedenen, das Kabinett bildenden Persönlichkeiten abhängig. —
Ueber die Stellung des Kabinettes vgl. OTTO MEISSNER, Das neue Staats-
recht des Reichs und seiner Länder, 1921, S. 86; auch PoETZzscH a. a. O.
S. 93 u. bes. S. 94; ferner ANSCHUÜTZ a. a.0.S, 111 ff.; Erıch KAUFMANN,
Die Reichsregierung, im „Handbuch der Politik“, 3. Aufl. 1921, 3. Bd.
S. 44 ff.; über Kabinettsregierung allgemein HAsBAcH, Die parlamentarische
Kabinettsregierung 1919.