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rung wie in allen anderen Dingen so auch in Sachen der aus-
wärtigen Politik des Vertrauens des Reichstages bedarf, so soll
und kann sie nur eine auswärtige Politik treiben, die dem Willen
der Reichstagsmehrheit entspricht. Der Reichstag, der das
mächtigste Organ des Reiches ist, ist also hier wie auch sonst
nicht agierendes Organ. Die neue Reichsverfassung weist damit
der reinen Idee des Staates gegenüber die Anomalie auf, daß sie
kein Organ kennt, welches den Staatswillen jederzeit absolut
ausdrücken könnte und zugleich zu agieren imstande wäre.
Das fernere mittelbare Glied des auswärtigen Apparates
i. w. S., der Reichsrat°®, der der Vertretung der Länder bei
der Willensbildung des Reiches dient, erhält die Möglichkeit eines
Einflusses auf die auswärtige Politik zunächst durch den Artikel 67:
Der Reichsrat ist von den Reichsministern über die Führung der
Reichsgeschäfte auf dem Laufenden zu halten. Zu Beratungen über
wichtige Gegenstände sollen von den Reichsministern die zuständigen
Ausschüsse des Reichsrates zugezogen werden.
Ueber die auswärtige Politik hat demnach der Reichsminister des
Aeußeren den Reichsrat laufend zu informieren und zu Beratungen
über wichtige auswärtig-politische Fragen dessen Ausschuß für
auswärtige Angelegenheiten zuzuziehen, dessen Errichtung von
der die Wahrung der Rechte der Volksvertretung gegenüber der Regierung
betrifft:
„Der Reichstag bestellt ferner zur Wahrung der Rechte der Volksver-
tretung gegenüber der Reichsregierung für die Zeit außerhalb der Tagung
umd nach Beendigung einer Wahlperiode einen ständigen Ausschuß.
Auch dieser Ausschuß hat die Rechte der Untersuchungsausschüsse.
Die Ausschüsse haben keine Exekutivkompetenzen; ihre Rechte bestimmen
sich nach denen der Volksvertretung, aus der sie hervorgehen. Für die
Rechte der Volksvertretung bezüglich der auswärtigen Angelegenheiten und
gegenüber der Reichsregierung, besonders hinsichtlich des Bündnis-, Kriegs-
erklärungs-, Friedensschluß- und Vertragsrechtes vgl. oben den Text. —
Insgesamt gehen also die ‚Rechte des deutschen Ausschusses weiter, ist
seine Stellung selbständiger als die der entsprechenden schwedischen
Institution aus etwa derselben Zeit.
8 SIEGFRIED BRIE, Reichstag und Reichsrat in kritischer und rechts-
politischer Beleuchtung, Handbuch der Politik, 3. A. III. Bd. 8. 52 ff.