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len sei, werde die maßgebliche Entscheidung bringen. Der Antrag der
Rechten auf Auflösung des Landtages wurde mit 48 gegen 47 Stim-
men abgelehnt.
Die bürgerlichen Parteien beruhigten sich jedoch hierbei nicht.
Mehrere Beschlüsse der Regierungsmehrheit, insbesondere die Verab-
schiedung eines Gesetzes, in dem der 1. Mai sowie der 9. November
zu staatlichen Feiertagen erklärt wurden, hatte die Stimmung in ihrem
Lager auf das äußerste gereizt. Die beiden Rechtsparteien brachten
nach Artikel 9 Abs. 2 der Verfassung ein Volksbegehren auf Auflösung
des Landtages ein und die Demokraten schlossen sich nach der Ab-
lehnung ihrer Anregung einer Regierungsumbildung diesem Vorgehen
an. Ueber 800000 Wahlberechtigte schrieben sich in die Listen ein,
nahezu ein Drittel der Wählerschaft verlangte damit die Auflösung.
Diese über alles Erwarten starke Beteiligung verfehlte ihren Eindruck
auf die sozialistischen Parteien nicht, wie in zahlreichen Presseäuße-
rungen unumwunden zugegeben wurde, und als der Landtag im August
wieder zusammenkam, um zu dem Volksbegehren Stellung zu nehmen,
war niemandem zweifelhaft, daß sein freiwilliges Ende bevorstand,
wenn auch die Wahrscheinlichkeit nicht allzu groß war, daß die Auf-
lösung durch Volksentscheid, der eine Beteiligung der Hälfte der
Stimmberechtigten voraussetzt, zu erzwingen gewesen wäre. Die Lage
war entschieden, als die Kommunisten erklärten, für die Auflösung
stimmen zu wollen. Ein Antrag der Sozialdemokraten auf Annahme
einer Verfassungsänderung, wonach der Landtag seine Auflösung sollte
unter Festsetzung einer von ihm selbst zu bestimmenden Frist für die
Beendigung seiner Arbeiten beschließen können, und ein demokratischer
Vermittlungsvorschlag hierzu, den Landtag nach seiner Auflösung noch
bis zur Neuwahl, also längstens 60 Tage, mit verminderten Rechten
weiter tagen zu lassen, wurden abgelehnt, und die Auflösung wurde
am 23. August 1922 gegen die Stimmen der beiden Regierungsparteien
beschlossen.
Die Wahlschlacht am 5. November, in die von allen Seiten mit
verstärkter Agitation und großen Hoffnungen hineingezogen worden
war, brachte keine Klärung der politischen Lage und bedeutete damit
eine starke Enttäuschung, vor allem auch für die bürgerlichen Parteien.
Die Zusammensetzung des Landtags blieb nahezu unverändert. Die
inzwischen vereinigten sozialdemokratischen Parteien behaupteten mit
40 Mandaten ihren Besitzstand. Die Kommunisten vermehrten die
Jıahl ihrer Sitze von 9 auf 10. Bei den bürgerlichen Parteien blieben