handelt zunächst die Regelung durch Berufskammern und zeigt dabei, daß
in diesen der Wirtschaftsepoche des liberalen Individualismus entstammenden
Kammern das Element der Arbeiterschaft fehlte, daß es zur Schaffung von
Arbeiterkammern vor dem Kriege nicht gekommen war. Den Ersatz dafür
fand die Arbeiterschaft in den von ihr geschaffenen freien sozialen Klassen-
vertretungen, den Gewerkschaften. Und so ist die gesetzliche Normierung
der Betriebsvertretung und der weitere Aufbau in Arbeiterkammern erst
ein Ergebnis der Revolution. In sehr interessanter Darstellung behandelt
dann der Verf. weiter die Frage der Zusammenfassung dieser amtlichen
berufständischen Vertretungen in der Form von sachverständigen Parlamenten,
vor allem in dem berühmten preußischen Volkswirtschaftsrat Bismarcks. Er
bezeichnet es mit Recht als das große Verdienst Bismarcks „zum ersten
Male in Deutschland an die Verwirklichung des Gedankens einer solchen
Wirtschaftsverfassung praktisch herangetreten zu sein, wenn auch dieser
Versuch von der Vollkommenheit noch weit entfernt war“ (S. 95).
Bei der Betrachtung „des berufständischen Problems im verfassungs-
rechtlichen Sinne“ betont der Verf. zunächst, wie schon an einer früheren
Stelle (S. 15), daß es irrig ist „die berufständische Idee als Gliederungs-
mittel des Staatswesens zu den Waffen der Reaktion zu rechnen. — Heute
spielt im Gegenteil der berufständische Gedanke links keine geringere
Rolle als rechts“ (S. 101). Sehr interessant sind auch seine folgenden Be-
trachtungen (S. 102 ff.) über das allgemeine gleiche Wahlrecht. Wenn er
dabei betont, daß die Fiktion der Gleichheit „keine Verankerung im
sozialen Leben findet, sondern nur durch den hinter dem herrschenden
Rechte stehenden Machtapparat des Staates, durch einen nackten Macht-
spruch dekretiert werde“, so gibt ihm die Entwicklung vor allem in
manchen deutschen Ländern darin nur zu recht (S. 105). Den Kardinal-
fehler aller Demokratie erblickt er darin, „daß in ihr die Politik von der
Masse gemacht wird, d.h. von einem Subjekt — wenn man die vielköpfige
Hydra Subjekt nennen darf — das der Vernunft überhaupt nicht zugäng-
lich ist* (S. 107). Auch auf den engen Zusammenhang von formaler Demo-
kratie und Plutokratie, wie er hauptsächlich in Frankreich klar zutage
tritt, weist der Verf. hin, anschließend gibt er auch eine Kritik des
Parteiwesens.
Dieser kritischen Betrachtung der heute herrschenden Regierungsform
schließt sich eine eingehende Schilderung der Entwicklung der beruf-
ständischen Staatslehre an, in der von dem Franzosen Simonde de Sismondi
bis zum russischen und deutschen Rätegedanken die verschiedenen Ideen
eines berufständischen Staatsaufbaus vorgeführt werden. Eine Behandlung
des berufständischen Gedankens im deutschen Staatsrecht von den Ideen
des Freiherrn vom Stein bis zur Behandlung der preußischen Wahlreform
1917/18 schließt das 1. Buch des Werkes.