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artigkeit des einzelnen, seine Individualität vernichtet würde. Während
die politischen Grundsätze des Individualismus in einem atomistischen,
mechanischen Freiheits- und Gleichheitsbegriff gipfeln, ist das Grundprinzip
des Universalismus der Begriff der austeilenden Gerechtigkeit, die nicht
jedem das gleiche, sondern jedem das seine gibt.
Die Teilinhalte der Gesellschaft zerfallen in 2 Hauptgruppen: in die
durch eine geistige Gemeinschaft gebildeten „Gemeinschaften“ und in die
durch die Gemeinsamkeit des Handelns gebildeten „Genossenschaften“.
Die „Gemeinschaften“ (Wissenschaft, Kunst, Moral, Religion, Philosophie)
sind das primäre, die „Genossenschaften® (Wirtschaft, die Urganisations-
formen, wie Familie, Kirche, Staat) das nicht eigentlich primäre, das
dienende Element.
Der „zweite prüfende Teil“ bringt eine Kritik des Zeitgeistes. Drei
Ideenkreise, den individualistischen, den universalistischen und den sozialisti-
schen stellt der Verf. einander gegenüber. Sie sind in die 3 Krisen unseres
Zeitgeistes verstrickt, die der Verf. in der durch den Krieg hervorgerufenen
staatenpolitischen Krise, in der Krise des Kapitalismus und in der Krise
des marxistischen Sozialismus erblickt.
Hinsichtlich der staatenpolitischen Krise stellt der Verf. fest, daß der
Krieg solche Abgrenzungen der Völker und Staaten gebracht hat, die
gegen die Natur der Dinge sind, die daher eine schlummernde Krise für
ganz Europa, neue kriegerische Verwicklungen bedeuten. „All die Schmach
unserer Brüder in fremdem Joch wird es uns nicht erlauben, uns in Ruhe
und Frieden häuslich einzurichten, wie es die Friedensverträge in wunder-
licher Verblendung annehmen, wie es die pazifistischen Schwachköpfe und
Völkerbundsstümper im Stile Wilsons der Welt glauben machen wollen.
Das deutsche Volk muß sich bereithalten, es kann sich nicht Ruhe gönnen,
und muß sinnen, was Pflicht und Ehre gebieten“ (S. 100/101). Seine Aus-
führungen und seine Zuversicht an eine bessere staatliche Zukunft Deutsch-
lands sind durchweht von einem starken Glauben an die innere Kraft des
deutschen Volkes. Das tut uns not und dafür kann man dem Verf. nur
dankbar sein.
Eine scharfe, aber m, E. im ganzen treffende Kritik des Liberalismus
und der Demokratie, soweit sie politische Ausdrucksformen des naturrecht-
lichen Individualismus sind, schließt sich an (S. 104 ff.). Er erblickt in
dem Staate die Organisation geistiger Gemeinschaftsbildung, während der
Staat im individualistischen Sinne als „Gewerkverein, Organisation besten
äußeren Handelns erscheint, das ermöglichen soll, einander im übrigen
möglichst in Ruhe zu lassen“ (S. 106). Atomisierung und Mechanisierung
sind die Folge der individualistischen Staatsauffassung. „Nicht der Wert,
sondern die Menge herrscht nach mechanischem Gewicht* (S. 109). Der
„Volkswille“ der Demokratie ist eine Fiktion, tatsächlich erscheint in ihm
der Wille einzelner politischer Führer, „die nach der demokratischen