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Wollte man das Gegenteil annehmen, so besäße der Beamte
vernünftigerweise überhaupt gar keinen staatsfreien
Rechtskreis mehr. Damit war festgelegt. daß ein Beamter außer-
amtlich zuseinem Schutzund zur Verteidigung
seiner Rechte und Belange nicht weniger tun durfte
als jeder andere Staatsbürger. Immerhin ließ Art. 11 des Beamten-
gesetzes — trotz Anerkennung der Schwierigkeiten bei der Fas-
sung — eine völlig unzweideutige Auslegung, auch für den Fall
berechtigter Ausübung von bürgerlichen und staatsbürgerlichen
Freiheiten vermissen.
In dieser Richtung stellte Art. 118 I der Reichsverfassung,
der kraft Art. 13 daselbst Landrecht bricht, wenigstens einen Teil
des dem Beamten trotz Eingehung des besonders gearteten Unter-
werfungsverhältnisses noch verbliebenen Freiheitskreises ausdrück-
lich klar. Er schält aus dem „Verhalten“ in Art. 11 des bayer.
Beamtengesetzes ausdrücklich die Freiheit der Meinungs-
äußerung als unveräußerliches, also auch durch ein
besonderes Unterwerfungsverhältnis nicht aufhebbares Gut eines
jeden Deutschen heraus, wofern er sich nur innerhalb der
Schranken der für alle Deutschen geltenden Gesetze hält. Zum
Ueberfluß ist noch in Art. 118 hervorgehoben, daß einen Deut-
schen kein Arbeits- oder Anstellungsverhältnis an der freien
Meinungsäußerung hindern, und niemand ihn benachteiligen darf,
wenn er von diesem Recht Gebrauch macht, was allerdings nach
ANSCHÜTZ’ Reichsverfassung, Anm. 1 u. 2 zu Art. 118 für die
Beamten nicht gelten soll, wohl aber nach Anschauung der
bayer. Staatsregierung in ihrer Erklärung vom 3. Februar 1920
im Landtag (Bayer. Staatszeitg. 1920 Nr. 29 S.5). Daß hienach
dem Beamten dieser Freiheitskreis nicht entzogen werden
darf, hat das Staatsministerium des Innern in der Beantwortung
einer Anfrage im Landtag wegen Entlassung eines widerruflichen
Rechtsverhältnisses nach den Auffassungen beider Gruppen im wesent-
lichen gleich, nämlich ein Gewalt- oder Unterwerfungsverhältnis.