Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 45 (45)

— 1593 — 
Wenn TRIEPEL weiter auf das Zustandekommen des Reichs- 
gesetzes hinweist und sagt, durch die Schaffung von Rechtsverord- 
nungsrechten werden die Reichsorgane, welche außer dem Reichs- 
tag an der Gesetzgebung in der Weise beteiligt sind, daß sie 
hemmend eingreifen können, an der Ausübung ihrer Befugnisse 
gehindert, indem der Reichspräsident gegen die Rechtsverordnung 
nicht das ihm gegen vom Reichstage beschlossene Gesetze zu- 
stehende Veto geltend machen, der Reichsrat nicht Einspruch 
erheben und die dazu berufene Quote von ein Zwanzigstel der 
Stimmberechtigten nicht einen Volksentscheid herbeiführen kann — 
so ist richtig, daß das Inkrafttreten der auf Ermächtigung er- 
lassenen Rechtsverordnung weder der Reichspräsident noch der 
Reichsrat noch die Stimmberechtigten hindern können. Dieser 
Umstand berechtigt jedoch noch nicht dazu, dem Gesetzgeber die 
Befugnis Verordnungsrechte zu schaffen ganz oder teilweise ab- 
zusprechen, wenn die Reichsverfassung nachweislich davon ausgeht, 
daß ihm dieses Recht zusteht. Uebrigens ganz entzogen ist die 
Handhabung der durch Gesetz geschaffenen Rechtsverordnungs- 
rechte dem Einfluß von Reiehspräsident, Reichsrat und Volk doch 
nicht, indem diese gegen das vom Reichstag beschlossene Er- 
sollen, so daß hier Art. 13 Abs. 1 „Reichsrecht bricht Landrecht“ keine 
Anwendung finden kann“ — so sind diese Ausführungen falsch, und WITT- 
MAYER kann sich für sie auch nicht auf AnscaUTz berufen. Mag dieser 
auch in seinem Kommentar zur RV. seine Ausführungen zu Art. 13 Abs. 1 
„zugespitzt* haben „auf Gesetze“, für das vorrevolutionäre Recht hat er 
wiederholt mit der herrschenden Meinung die Ansicht vertreten, daß jede 
reichsrechtliche Norm, ohne Rücksicht auf ihre Erscheinungsform, das 
Landesrecht binde und aufheben könne (vgl. z. B. KOHLERs Encyklopädie 
Bd. 4 S. 160 und MEYER-AnscHÜtz, Staatsrecht (7), S. 716); und an dem 
bisherigen Recht hat, wie ANSCHÜTZ in seinem Kommentar ausdrücklich 
bemerkt, Art. 13 Abs. 1 nichts geändert. — Uebrigens folgt aus den oben 
angeführten Bemerkungen zu Art. 10 u. 11 im Verfassungsausschuß, daß 
man auch in diesem der Meinung war, daß die in den vorangehenden 
Artikeln der Reichsgesetzgebung zugewiesenen Materien auch im Ver- 
ordnungswege durch das Reich geregelt werden können.
	        
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