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der ganz besonders untersuchungsbedürftige Fall eintreten, daß
jemand z. B. eine von ihm nicht verfaßte Druckschrift, etwa ein
Parteiflugblatt verbreitet und gleichzeitig dabei behauptet, er
hege dieselbe Anschauung wie in der Druckschrift kundgegeben,
also nicht ausschließlich das Werkzeug (Bote) zur Verbreitung
einer fremden Ansicht abgeben will. — Ferner soll ausdrücklich
hervorgehoben werden, daß lediglich die Meinungsäußerungs-
freiheit gewährt werden soll; alles, was über den Begriff
„Meinungsäußerung“ hinausgeht, z. B. ein unwürdiger Lebens-
wandel, überhaupt ein ehrloses und unsittliches Verhalten,
das sich nicht in Meinungsäußerung erschöpft und völlig darin
aufgeht, fällt außerhalb des Rahmens des Art. 118 der Reichs-
verfassung und ist der Würdigung der Dienstaufsicht nach Art. 11
des bayer. Beamtengesetzes nicht entzogen. Z. B. wird das
öffentliche Führen geschlechtlich unsittlicher Reden je nach
Lage des Falls auch als Verhalten anzusehen sein, ganz ab-
gesehen davon, daß es möglicherweise schon unter die Straf-
gesetze ($ 183, $ 360 Ziff. 11 RStGB.) fällt ©. (Vgl. die Recht-
sprechung des Reichsgerichts in Strafsachen III S. 273 und Ent-
scheidungen in Strafsachen Bd. IV S. 130, wonach auch münd-
liche Aeußerungen, z. B. das Singen unzüchtiger Lieder eine
„Handlung“ darstellen kann, sich somit aus dem Gebiet der reinen
Meinungsäußerung heraushebt). Ein solches Verfahren überschritte
selbstverständlich den Rahmen der freien Meinungsäußerung, es
müßte gesetzesvollzugsmäßig als „ Verhalten“ angesprochen werden.
III.
Ganz unstreitig gilt die Freiheit der Meinungsäußerung für
das außeramtliche Wirken. Inwieweit übrigens hiebei das
staatliche wie das eigene Ansehen des Beamten unmittelbar
untergrabende Erscheinungen auftreten können, soll später be-
° So schon im bisherigen Recht: vgl. Pırorty im Archiv Bd. 33 8. 39 IV
u. 8.7.