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schrift des Reichskanzlers*! oder von dem zuständigen Einzelminister
zu erlassen ist. Arundsätzlich wird nach der im Art. 56 Satz 2
aufgestellten Regel der zuständige Einzelminister als zum Erlaß
der Verordnung berufen angesehen werden müssen, eine kollegiale
Beschlußfassung der Reichsregierung über die Verordnung dagegen
nur als nötig angesehen werden können, wenn eine dahingehende
Absicht des Gesetzgebers aus dem Ermächtigungsgesetze nach-
weisbar ist?. Greift die zu erlassende Verordnung in den Ge-
schäftsbereich mehrerer Minister, so haben sie sich, falls letzt-
gedachte Absicht des Gesetzgebers nicht nachweisbar ist, grund-
sätzlich über die Verordnung zu einigen und gemeinsam die Ver-
antwortung zu tragen; erst wenn eine Vereinigung unter ihnen
nicht zustande kommt, tritt die Beschlußfassung durch das ganze
Kollegium ein. Wie nach diesen Gesichtspunkten die in der Reichs-
verfassung selbst Art. 77, 88 und 91 erhaltenen Ermächtigungen
zu beurteilen sind, von denen allerdings unmittelbar hierher nur
Art. 91 gehört, indem allein dieser auch eine Ermächtigung zum
Erlaß von Rechtsverordnungen enthält, ist bestritten. Im Zweifel
kann man jedoch nur sein über die Auslegung des Art. 77. In
den Art. 88 und 91 hat der Reichsgesetzgeber offenbar eine von
der Reichsregierung kollegial beschlossene Verordnung im Auge;
#1 Die Praxis ist hier allerdings inkorrekt und schwankend. Im RGBl.
als Verordnungen der „Reichsregierung“ publizierte Verordnungen sind
bald unterzeichnet vom Reichskanzler, bald von diesem und einem Minister,
bald auch von einem Minister allein, ohne daß er als Vertreter des Kanzlers
kenntlich gemacht ist. Es finden sich sogar Verordnungen der „Reichs-
regierung‘, die vom Reichspräsidenten unterzeichnet und einem Ressort-
minister gegengezeichnet sind, obwohl jener nach RV. Art. 52 zur Reichs-
regierung nicht gehört; vgl. RGBl. 1919 S. 1895, 1896.
*2 Fbenso PoerTzsch Handausgabe der RV. (2) S: 108, 109 Anm. 3 zu
Art. 56 und Anm. 1 und 2 zu ‚Art. 57. And. Ans. ANSCHÜTZ, wenn, er
zu Art. 69 bemerkt: „RReg. bedeutet hier, wie im Zweifelsfalle
stets, nicht den R.Präs...., auch nicht die Minister als einzelne, sondern
die Gesamtheit der Minister als Kollegium (Art. 57)“, womit allerdings
seine Ausführungen in Anm. 2 zu Art. 52 a. E. (S. 112) nicht ganz über-
einstimmen.