Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 45 (45)

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setz, so ist es unzulässig, nicht mit ihm zu unterscheiden und 
seine Bestimmungen zu verallgemeinern. Und die Frage, ob die 
Rechtsverordnungen in der Gesetzsammlung publiziert werden 
müssen, kann bei dieser Rechtslage nur aus allgemeinen Gesichts- 
punkten beantwortet werden. Aus solchen ergibt sich aber nicht, 
daß die Rechtsverordnungen mit begrifflicher Notwendigkeit in 
derselben Weise publiziert werden müssen, die die Verfassung 
für die formellen Gesetze vorschreibt ®’, sondern nur, daß die Publi- 
kation so zu erfolgen hat, daß die Rechtsuntertanen in der Lage 
sind, von dem Inhalt der Norm in zuverlässiger Weise Kenntnis 
zu nehmen. Die Bestimmung über Ort und Art der Publikation 
muß, sofern das Ermächtigungsgesetz über sie nichts vorschreibt, 
als ins Ermessen des verordnenden Organs gestellt angesehen 
werden, wie denn auch die Praxis unter Billigung des Reichs- 
gerichts dementsprechend bereits z. Z. der Geltung der Reichs- 
verfassung von 1871 verfahren ist und noch heute verfährt, indem 
Reichsverordnungen von den sie erlassenden Stellen häufig nicht 
ım Reichsgesetzblatt, sondern in anderen Blättern, besonders im 
Reichsanzeiger oder im Reichszentralblatt, bekannt gemacht wer- 
den €, Die demgegenüber vom Kammergericht neuestens wieder 
  
  
im materiellen Sinne zu verstehen sei, besonders darauf berief, daß 
in Satz 1 dieses Art, der bestimmte, daß „die Reichsgesetze den Landes- 
gesetzen vorgehen“, das Wort „Gesetze im materiellen Sinne verstan- 
den werden müsse, indem anderufalls der Satz, daß Reichsrecht dem 
Landesrecht vorgeht, tatsächlich aufgehoben würde, man aber auch nicht 
annehmen könne, daß in demselben Artikel das Wort „Gesetze“ in ver- 
schiedenem Sinne gebraucht sei — so ist diese Stütze der von uns abge- 
lehnten Interpretation weggefallen. Der Satz 1 des Art.2 der RV. v. 1871 
erscheint in der neuen Verf. in Art. 13 also losgelöst von den Bestimmungen 
über die Publikation der Gesetze; und zwar in der Form der alten Rechts- 
parömie „Reichsrecht bricht Landrecht“, die keinen Zweifel darüber auf- 
kommen läßt, daß es sich hier lediglich um materielle Begriffe handelt. 
°' Ebenso das Reichsgericht und auch das Kammergericht in den in 
vorangehender Anm. 65 zit. Urteilen. 
®® Nachweisungen über diese Praxis unter der Herrschaft der alten 
Reichsverfassung gibt ARNDT, Verordnungsrecht, S. 199 und das oben Anm. 65
	        
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