Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 45 (45)

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hebliche Bedenken gegen diese Argumentation aus, indem in den 
Verhandlungen des Verfassungsausschusses über den heutigen 
Art. 77 (2) des Entwurfs von dem damaligen Reichsminister 
PREUSS, ohne Widerspruch zu finden, wiederholt betont wurde, 
daß durch Art. 77 das der Reichsregierung in Art. 15 (14 des 
Entwurfs) zugewiesene Verordnungsrecht nicht beschränkt werden 
dürfte, und schließlich auch eine Formulierung des Art. 77 an- 
genommen wurde, die nach PREUSS’ Ansicht auch für die Reichs- 
regierung annehmbar war, da sie das Verordnungsrecht dieser in 
den Materien des Art. 15 nicht beschränkt®?. Für die Auslegung 
des Art. 15, welche diesen Vorgängen im Verfassungsausschuß 
Rechnung trägt, spricht aber auch der Auslegungsgrundsatz, daß 
jede Bestimmung eines Gesetzes möglichst so auszulegen ist, daß 
sie eine selbständige Bedeutung hat; denn es ist nicht anzunehmen, 
daß der Gesetzgeber sich wiederholt oder etwas selbstverständ- 
liches bestimmt. Dies aber müßte angenommen werden, wenn 
man dafür hält, daß auch die Anweisungen des Art. 15 der all- 
gemeinen Regel"des Art. 77 unterfallen. Denn dann hat Art. 15 
Abs. 2 Satz 1 keine selbständige Bedeutung: Anweisungen i. 8. 
des Art. 15 kann die Reichsregierung mit Zustimmung des Reichs- 
rats schon auf Grund der allgemeinen Bestimmung des Art. 77 
erlassen. Eine solche eignet ihm nur, wenn man annimmt, daß 
das in ihm der Reichsregierung zugewiesene Verordnungsrecht 
nicht der Beschränkung des Art. 77 unterfällt und Art. 15 Abs. 2 
Satz 1 eine lex specialis gegenüber Art. 77 ist. 
Tritt man nun aber diesem Verständnis des Art. 15 im Verhält- 
nis zu Art. 77 bei und verlangt für den Erlaß der in jenem vorgesehenen 
Anweisungen nicht die Zustimmung des Reichsrates®®, so erhebt 
8? Vgl. die Protokolle des Verfassungsausschusses S. 168r, 169 r, 170 
(Annahme des Antrages KocH-KATZENSTEIN). 
88 Ebenso ANSCHÜTZ a. a. O. Anm. 4 zu Art. 77 S. 53 besonders mit 
Berufung auf die Protokolle des Verfassungsausschusses der Nat.Vere. 
(vorangehende Anm.), dem WITTMAYER a.2. O.S. 238 ff. (aber auch S$. 385
	        
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