Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 45 (45)

— 15 — 
Mit dem Vorangehenden ist auch das Wesen des hier interes- 
sierenden Teiles der unter Art. 91 — der Parallelvorschrift zu 
Art. 83 Abs. 3 — fallenden Verordnungen bestimmt, der Ver- 
ordnungen nämlich, die den Bau, Betrieb und Verkehr der Reichs- 
eisenbahnen regeln. Sie sind aus denselben Gründen wie die auf 
Grund des Art. 88 ergehenden Verordnungen als Verwaltungs- 
verordnungen anzusehen, als Anweisungen der Reichsregierung 
betreffend die Verwaltung einer Reichsanstalt. Dagegen eignet 
dieser Rechtscharakter nicht Verordnungen gleichen Inhalts, welche 
Eisenbahnen betreffen, die den Ländern, Kommunalverbänden oder 
Privatpersonen gehören, und ebenso nicht Verordnungen, die poli- 
zeiliche Bestimmungen über das Verhalten des Publikums ent- 
halten. Diese greifen ein in Freiheit und Eigentum der Rechts- 
untertanen und sind daher, wie oben (Text zu Anm. 14) geschehen, 
als Rechtsverordnungen anzusehen. Für sie gibt Art. 91 die er- 
forderliche gesetzliche Ermächtigung. 
Sie überweist in Art. 77 den Erlaß solcher Verwaltungsvorschriften schlechthin 
der Reichsregierung und zwar, wie oben (Text zu Annı. 43) ausgeführt ist, als 
Kollegium. Dieses aus den positiven Vorschriften gewonnene Ergebnis ent- 
spricht allerdings nicht den Intentionen des Gesetzgebers; geht doch aus den 
Verhandlungen im Verfassungsausschuß wie im Plenum der Nationalversamm- 
lung hervor, daß man dem Reichspostminister die selbständige Ausübung des 
Verwaltungsverordnungsrechts für sein Ressort, soweit nicht Art. 88 ein- 
greift, überlassen wollte. Allein zu einem dieser Intention des Gesetzgebers 
entgegenkommenden Verständnis der Verfassungsbestimmungen gelangt 
man nur, wenn man mit POETZSCH annimmt, daß unter „Reichsregierung“ 
in Art. 77 der zuständige Fachminister zu verstehen ist, und das erscheint, 
wie oben (Text zu Anm. 43) begründet, nicht angängig. Der Gesetzgeber selbst 
ist sich offenbar gar nicht darüber klar geworden, in welchem Sinn das Wort 
„Reichsregierung“ jetzt in Art. 77 verstanden werden muß und welche von 
ihm nicht beabsichtigte Konsequenzen daraus sich ergeben, denn diese 
Konsequenzen, daß jede allgemeine Verwaltungsvorschrift von der Reichs- 
regierung als Kollegium beschlossen und nicht vom Fachminister allein er- 
lassen werden darf, ist nicht nur im Gebiet der Postverwaltung, sondern 
auch in allen anderen Verwaltungsgebieten undurchführbar, wie sich denn 
auch die Praxis über sie hinwegsetzt. 
9! Ebenso AnscaHüTz, Kommentar S. 160; und ohne ins einzelne einzu- 
gehen auch GiIESE a. a. O. S. 229. Anderer Ansicht dagegen POETZSCH
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.