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Mit dem Vorangehenden ist auch das Wesen des hier interes-
sierenden Teiles der unter Art. 91 — der Parallelvorschrift zu
Art. 83 Abs. 3 — fallenden Verordnungen bestimmt, der Ver-
ordnungen nämlich, die den Bau, Betrieb und Verkehr der Reichs-
eisenbahnen regeln. Sie sind aus denselben Gründen wie die auf
Grund des Art. 88 ergehenden Verordnungen als Verwaltungs-
verordnungen anzusehen, als Anweisungen der Reichsregierung
betreffend die Verwaltung einer Reichsanstalt. Dagegen eignet
dieser Rechtscharakter nicht Verordnungen gleichen Inhalts, welche
Eisenbahnen betreffen, die den Ländern, Kommunalverbänden oder
Privatpersonen gehören, und ebenso nicht Verordnungen, die poli-
zeiliche Bestimmungen über das Verhalten des Publikums ent-
halten. Diese greifen ein in Freiheit und Eigentum der Rechts-
untertanen und sind daher, wie oben (Text zu Anm. 14) geschehen,
als Rechtsverordnungen anzusehen. Für sie gibt Art. 91 die er-
forderliche gesetzliche Ermächtigung.
Sie überweist in Art. 77 den Erlaß solcher Verwaltungsvorschriften schlechthin
der Reichsregierung und zwar, wie oben (Text zu Annı. 43) ausgeführt ist, als
Kollegium. Dieses aus den positiven Vorschriften gewonnene Ergebnis ent-
spricht allerdings nicht den Intentionen des Gesetzgebers; geht doch aus den
Verhandlungen im Verfassungsausschuß wie im Plenum der Nationalversamm-
lung hervor, daß man dem Reichspostminister die selbständige Ausübung des
Verwaltungsverordnungsrechts für sein Ressort, soweit nicht Art. 88 ein-
greift, überlassen wollte. Allein zu einem dieser Intention des Gesetzgebers
entgegenkommenden Verständnis der Verfassungsbestimmungen gelangt
man nur, wenn man mit POETZSCH annimmt, daß unter „Reichsregierung“
in Art. 77 der zuständige Fachminister zu verstehen ist, und das erscheint,
wie oben (Text zu Anm. 43) begründet, nicht angängig. Der Gesetzgeber selbst
ist sich offenbar gar nicht darüber klar geworden, in welchem Sinn das Wort
„Reichsregierung“ jetzt in Art. 77 verstanden werden muß und welche von
ihm nicht beabsichtigte Konsequenzen daraus sich ergeben, denn diese
Konsequenzen, daß jede allgemeine Verwaltungsvorschrift von der Reichs-
regierung als Kollegium beschlossen und nicht vom Fachminister allein er-
lassen werden darf, ist nicht nur im Gebiet der Postverwaltung, sondern
auch in allen anderen Verwaltungsgebieten undurchführbar, wie sich denn
auch die Praxis über sie hinwegsetzt.
9! Ebenso AnscaHüTz, Kommentar S. 160; und ohne ins einzelne einzu-
gehen auch GiIESE a. a. O. S. 229. Anderer Ansicht dagegen POETZSCH