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ausschuß zur förmlichen Auslegung des $ 18 schreiten, und da war
nach $ 13 Buchst. f Einstimmigkeit erforderlich; Stimmenthaltung
bedeutete Ablehnung. War so auch nur eine Stimme gegen den
Einmarsch, so mußte er unterbleiben. War aber Meinungsverschieden-
heit auch darüber, ob eine Frage vorliege, die Einstimmigkeit
erfordert, so mußte darüber ein Schiedsgericht entscheiden ($13). Man
sieht: der VV. ist nicht auf die Allgewalt Frankreichs eingestellt.
So bleibt es dabei, daß der französisch-belgische Einbruch
in materieller wie in formeller Hinsieht ein Vertragsbruch ist.
Der französisch-belgische Vertragsbruch gab Deutschland das
Recht, auch seinerseits den Vertrag nicht mehr gelten zu lassen.
Deutschland hätte übrigens schon öfter dieses Recht in Anspruch
nehmen können. Ich erinnere nur daran, daß der Wiedergut-
machungsausschuß infolge des Beiseitestehens der Vereinigten
Staaten von Amerika nicht gesetzmäßig gebildet ist. Aber die
Reichsregierung hat in kluger Maßhaltung von ihrem Recht keinen
Gebrauch gemacht.
Doch eine Wirkung der Vertragsverletzung beim Ruhr-
einbruch war unmittelbar gegeben und trat sofort in Erscheinung.
Die Rechtswidrigkeit des Einbruchs gab das Recht, alle im Gefolge
des Einbruchs getroffenen Maßnahmen Jer Besetzungsmächte als
unverbindlich zu behandeln. Bei der besonderen Brutalität des
jüngsten Einbruchs wurde nunmehr von diesem Recht Gebrauch
gemacht. Und so kam man zum passiven Widerstand.
Die neueste Leistung ist die VO. 192 der Rheinlandkomniission,
die jeden mit Geld und Gefängnis besiraft, der die Rechtsverbind-
lichkeit der nach dem Ruhreinbruch erlassenen Verordnungen der
Rheinlandkommission und Militärbehörden in Abrede stellt. Die
Konflikte, welche infolgedessen die Ruhr- und Rheinländer durch-
machen und das fürchterliche Martyrium, das die Arbeiter, Be-
amten und Einwohner in Wahrung des Rechtsstaidpunktes auf sich
nehmen, wird eine dankbare Erinnerung dauernd festhalten und
der Nachwelt überliefern.