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Ill. Bei der geschilderten Rechtslage begreift man die Schwierig-
keit der Franzosen, den Ruhreinbruch in einen Rechts-
rahmen zu bringen.
Poincare hat, wie bereits festgestellt, erklärt, daß das Ruhr-
unternehmen nicht den Charakter einer militärischen Besetzung
oder einer militärischen Operation habe; es handele sich lediglich
um den Schutz der Ingenieurkommission, deren Zweck deutlich um-
schrieben sei. Auch der General Michel verkündete bei seinem
Einzug in Offenburg, daß es sich nicht um eine militärische Be-
setzung, sondern nur um eine Sanktionsmaßnahme handele.
Eine ganze kriegsmäßig ausgerüstete Armee als Begleitung
einer Kommission: das ist ein vollkommen neuer Völkerrechtstyp.
Die Abstreitung des militärischen Besetzungscharakters hat aber
die französischen Militärgerichte nieht behindert, ihre Zuständigkeit
über die Einwohner auf die militärische Besetzung zu gründen.
Im Mainzer, wie im Landauer Militärgerichtsprozeß stützte sich
die Anklage auf die Bestimmungen der Haager LKO, über „die
militärische Gewalt auf besetztem feindlichen Gebiet“. Sie
machte sich dabei den Standpunkt des Pariser Kassationshofs
(E. v. 1866, 1909, 1913) zu eigen, daß das auch nur im Gefolge
eines Krieges zum Schutz der öffentlichen Interessen besetzte Ge-
biet „L[eindliches Gebiet* sei. Kann doch auch an der Ruhr
das französische Militärstrafgesetzbuch von den französischen Militär-
gerichten in Deutschland nur unter der Voraussetzung zur An-
wendung gebracht werden, daß „sich das Heer in Feindesland“
befindet (a. 63). Ist aber das Einbruchsgebiet „feindliches Gebiet“
oder „Feindesland“, so bedeutet das die Anerkennung eines Kriegs-
zustandes, und dann gilt natürlich aucb das Besetzungsrecht der
Haager LKO. Will man das eine, so kann man das andere nicht
leugnen. Die Ablehnung und doch wieder Beanspruchung eines
militärischen Besetzungsrechts im Einbruchsgebiet ist ein Wider-
spruch und charakteristisch für den juristischen Wirrwarr.
Nach feststehendem Grundsatz des Völkerrechts können die