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schon Wahnsinnsformen an. Der französische Staatsanwalt im
Landauer Kriegsprozeß gegen Holler und Kaiser hat den Schleier
gelüftet, als er die Besetzung des badischen Bodens zur Erweiterung
des Brückenkopfes Kehl als eine berechtigte Sanktionsmaßnahme
verkündete und von der letzteren naeh dem stenographischen Be-
richt erklärte, was dann wohl auch von der Ruhrbesetzung zu
gelten haben wird:
„Sie stellte dieses Gebiet unter das heimatliche Militärstraf-
recht Frankreichs, sowie unter die Jurisdiktion der Rheinland-
kommission oder richtiger ausgedrückt: Die Militärbefehlshaber
erklärten außer dem Rechte, das sie selbst mitbrachten, in diesem
neubesetzten Gebiet für anwendbar das Recht der Rheinland-
kommission. Die Militärbefehlshaber hätten ebensogut auch sagen
können, daß in diesem neubesetzten Gebiete das japanische oder
russische Strafgesetzbuch gelten solle. Es sind eben die
Militärbefehlshaber, die dort bestimmen, was
Rechtens ist.“
Ein schrankenloseres Bekenntnis zur Militärallmacht ist aus
der Völkerrechtsgeschichte nicht bekannt: „Es sind eben die Militär-
befehlshaber, die dort bestimmen, was Rechtens ist.“ Das ist das
Ende der Kultur.
Bei dieser Sachlage hat es keinen Zweck mehr, für dieneuen Be-
setzungen den ihnen nach Völkerrecht zukommenden Typus heraus-
zuarbeiten. Die Besetzungsgebiete, die neuen und mit ihnen auch
die alten stehen unter einer dureh nichts mehr eingeschränkten
fremdstaatlichen Militärdiktatur, die ihren Herrschaftsbereich täg-
lich erweitert und ihre Machtmittel ständig verschärft. Die
Wirkung ist: vollständige Rechtlosigkeit der
Bevölkerung.
Das ist der Inhalt der Tragödie, die sich gegenwärtig
im Rhein- und Ruhrgebiet abspielt: es ist der Zusammenbruch
von Kultur und Recht unter dem Anprall einer zügellosen französisch-
belgischen Militärherrschaft.
Archiv des Öffentliohen Rechts. N. F. 6, Heft 2. 15