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I.
Aus der Praxis des Staatsrechts.
Art. 13 Abs. 2 der Reichsverfassung und der
Streit um die richterliche Prüfungszustän-
digkeit.
Von
Dr. FRITZ MORSTEIN MARX (Hamburg).
Seit dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung ist die Zahl
der Gründe und Gegengründe in dem neuerdings wieder heftiger ent-
brannten Kampf um die richterliche Prüfungszuständigkeit gegenüber
Gesetz und Verordnung! um einen weiteren vermehrt worden, der
dem Art. 13 Abs. 2 RV. entnommen wird, in dem das bislang ver-
fassungsmäßig nicht aufgenommene System der unmittelbaren Rechts-
kontrolle seinen Niederschlag gefunden hat. So begründet WITTMAYER ?,
ı Der überkommene Sprachgebrauch bezeichnet sie irreführend als
richterliches Prüfungsrecht, obwohl man sich darüber einig ist, daß es sich
bier nicht um ein dem Richter gewährtes subjektives Recht handelt, sondern
um eine Wechselwirkung von Amtsbefugnis und Amtspflicht, d. h. um
eine Zuständigkeit. — Ueblicherweise trennt man innerhalb des Problems
die Frage der „materiellen“ Rechtsgültigkeit einer Rechtsnorm von der
der „formellen“, obwohl einescharfe Grenzziehung im Einzelfall auf Schwierig-
keiten stoßen kann. Die folgenden Erörterungen gelten der ersteren.
Ueber die formelle Seite vgl. LoEnına, Parlamentarische Rechtsfragen bei
Verfassungsänderungen, in Hans. Rechts-Z. 1922, Sp. 843 fi.; teilweise gegen
diesen unter gleicher Ueberschrift MORSTEIN MArx ebendort 1923, Sp. 389 ff.
?2 Weimarer Reichsverfassung S. 461.