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ein Gegner der richterlichen Prüfungszuständigkeit, seinen Standpunkt
u. a. folgendermaßen: „Von [dem Satz, daß reichsrechtswidrige Lan-
desgesetze ohne weiteres null und nichtig seien] ansteigend, konnte
diese Aechtung auch verfassungswidrige Reichsgesetze nicht verfehlen.
Wäre aber dem so, dann wäre das Gesetz vom 8. April 1920 (RGBl.
Nr. 510) nicht recht verständlich, das die Entscheidung des Reichs-
gerichtssenats über die Frage, ob eine landesrechtliche Vorschrift mit
dem Reichsrecht vereinbar ist, mit Gesetzeskraft ausstattet und im
Reichsgesetzblatt veröffentlichen läßt.... Das mußte mit unentrinn-
barer, innerster Logik geschehen, weil eine richterliche Entscheidung,
die auch nur Landesgesetze außer Kurs setzen will, unfehlbar min-
destens Rang und Wirkung eines ordnungsgemäß verkündeten Reichs-
gesetzes teilen muß. Man kommt sonst nie aus dem Zirkel heraus“.
Dementsprechend werde auch lediglich das Landesgesetz „auf seine
Vereinbarkeit mit dem Reichsrecht geprüft, ohne daß etwa die Ver-
fassungsmäßigkeit dieses letzteren als Präjudizialfrage vom Gericht
überprüft werden könnte“ 3. — Der gleichen Ansicht ist Taoma#.
Diese Auffassung geht davon aus, daß der Verfassungsgeber
— eben durch Schaffung einer höchstrichterlichen Instanz zum Zwecke
der unmittelbaren Rechtskontrolle — klar genug zum Ausdruck ge-
bracht habe, daß er die mittelbare Rechtskontrolle, d. h. die Prüfungs-
zuständigkeit der ordentlichen Gerichte, verwerfe. Daß man dies in
Weimar im allgemeinen nicht getan hat, daß man vielmehr eine end-
gültige Stellungnahme in der Frage, ob der ordentliche Richter dem
verfassungswidrigen Reichsgesetz die Gefolgschaft versagen dürfe, in
weiser Zurückhaltung vermieden hat, wird heute nicht mehr bezweifelt.
Es würde daher von vornherein nicht einmal die Vermutung dafür
sprechen, daß der Verfassungsschöpfer den ordentlichen Gerichten die Zu-
ständigkeit zur Prüfung der materiellen Rechtsgültigkeit von Landes-
recht durch Einfügung des Art, 13 Abs. 2 RV. bindend entzogen
hätte. Und in der Tat ist dies aus seiner Entstehungsgeschichte keines-
wegs zu entnehmen, Dagegen spricht aber auch, daß die Ausge-
2 A. a. O. S. 210. Dasselbe behauptet WITTMAYER für den Bereich des
8 6 des Landessteuergesetzes v. 30. März 1920 (RGBl. S. 402); vgl. a. a. O.
S. 190/191.
* Das richterliche Prüfungsrecht, im Arch. öff. R. 43. Bd. 8. 285.
5 Vgl. Verh. d. Nationalvers. 327. Bd. 44. Sitzung S. 1207 B; ebendort
45, Sitzung S. 1254C und 1255 A; ebendort 332. Bd. 141. Sitzung 8. 4523 D;
ebendort 155. Sitzung $. 4887 D—4889 A; ebendort 336. Bd. Nr. 391 8. 37 ff,