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staltung dieser Verfassungsnorm keinen Zweifel darüber läßt, daß es
sich hier — zwar nicht im ganzen — in erster Linie um ein aufsichts-
rechtliches Institut handelt®, das von vielen — bezeichnender-, aber
unrichtigerweise ” — als lex specialis zu Artt. 19 und 15 Abs. 3 RV.
angesprochen wird®. Dagegen spricht ferner die Verschiedenheit des
Auswirkungskreises von mittelbarer und unmittelbarer Rechtskontrolle:
der ordentliche Richter entscheidet rechtskräftig; der höchste Gerichts-
hof aber nach $ 3 Abs. 3 des Gesetzes vom 8. April 1920 (RGBl.
S. 510) gesetzeskräftig®. Dagegen spricht endlich, daß sich mittelbare
und unmittelbare Rechtskontrolle nicht einmal in bezug auf ihren Zu-
ständigkeitsumfang gleichen: das Wirksamwerden der ersteren setzt
eine Rechtsstreitigkeit vor den ordentlichen Gerichten voraus; die
Entscheidung des höchsten Gerichtshofs nach Art. 13 Abs. 2 RV. erfolgt
aber auf Anruf von Reichs- oder Landeszentralbehörde schon dann,
wenn lediglich Zweifel oder Meinungsverschiedenheiten bestehen. Der
Kompetenzkreis des höchsten Gerichtshofs ist also im Gegensatz zu
dem der ordentlichen Gerichte ein erheblich weiterer: einerseits ist
schon der Begriff der Streitigkeit enger als der der Meinungsverschie-
denheit!0; andererseits ist es gleichgültig, wo diese Zweifel oder Mei-
nungsverschiedenheiten bestehen: bei irgendwelchen Behörden, bei den
Parlamenten, bei den Gerichten!!! oder gar bei einzelnen Staatsbür-
113 ff. und 408 .; ebendort 341. Bd. Nr. 2056, 2386 und 2431. — Die vom
Berichterstatter Abg. D. Dr. Kauıu (ebendort 327. Bd. 44. Sitzung S, 1207 B)
als Nr. 115 der Drucks. d. Verf.-Ausschusses erwähnte Denkschrift d.
Reichsmin. d. Innern v. 2. April 1919 über Rechts- und Bedürfnislage zum
Art. 15 Abs. 2 RV. war mir nicht zugänglich.
6 LASSAR, im Arch. öff. R. Bd. 40 S. 106; TrıereEL, Streitigkeiten zwischen
Reich und Ländern (Festgabe für Kanr) S. 65 ff.
” TRIEPEL a. a. O. S. 66 fl.
®» Z. B. GIESE, Reichsverfassung® S. 68.
® Trotzdem wirkt diese Entscheidung — wie seltsamerweise allgemein
behauptet wird — nicht etwa wie eine vom Gesetzgeber ausgehende authen-
tische Interpretation; vgl. darüber MoORSTEIN MArx, Wirkungsgrenzen der
unmittelbaren Rechtskontrolle, im Preuß. VerwBl. 43. Bd. S. 500 ff.; DERS.,
Art. 13 Abs. 2 der Reichsverfassung und das Schrifttum, ebendort 44, Bd.
S.137 fi. und 8. 166 Anm. — Zustimmend neuestens TRIEPEL a. a.0.S. 112/113.
10 PERELS, Streitigkeiten deutscher Bundesstaaten auf Grund des Art. 76
der Reichsverfassung S. 18; TRIEPEL a. a. OÖ. S. 43.
1 Insoweit kann auch der Richter des ordentlichen Verfahrens auf
diesem Wege Rechtsbelehrung schöpfen.