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gern!2®. Dabei ist es durchaus möglich, daß sich Reichs- und Landes-
zentralbehörden völlig einig sind; erforderlich ist einzig und allein,
daß eine von beiden Veranlassung nimmt, das Verfahren nach Art. 13
Abs. 2 RV. in Verbindung mit dem Ausführungsgesetz vom 8. April
1920 (RGBl. S. 510) durch Anruf des Reichsgerichts einzuleiten®.
Es darf also nicht etwa unterstellt werden, daß der Verfassungs-
geber durch Schaffung eines so eigenartig ausgestalteten Instituts wie
des der unmittelbaren Rechtskontrolle die Prüfungszuständigkeit des
ordentlichen Richters beschnitten habe. Ebensowenig ist auch weiter-
hin richtig, daß das Reichsgericht lediglich die Vereinbarkeit des
Landesrechts mit dem Reichsrecht, nicht aber — als Ausgangspunkt
— die Verfassungsmäßigkeit dieses letzteren zu prüfen berechtigt wie
verpflichtet sei. Dieser Satz — als Argument gegen die richterliche
Prüfungszuständigkeit verwandt — enthält nichts weiter als eine petitio
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prineipii; und wenn sowohl WIıTrMmAYER wie TuomA ihn gar nicht erst
weiter begründen, obwohl er nicht unbestritten ist!*, so beruht das
darauf, daß er sich in der Tat nicht begründen läßt, Es wäre ober-:
flächlich, einzuwenden, daß Art. 13 Abs. 2 RV. lediglich die Ent-
scheidung über die Frage der Vereinbarkeit von Landesrecht mit dem
Reichsrecht vorsehe. Diesem Einwand begegnet man auf der Jenseite
mühelos durch den Hinweis darauf, daß die Feststellung der Unver-
einbarkeit von Landesrecht und Reichsrecht eben die Feststellung
gültigen, d. h. verfassungsmäßigen Reichsrechts notwendig voraussetze!,
Gegenteilige Schlüsse wird man aus der Tatsache, daß der Antrag
NAUMANN-HOFER-WALDSTEIN !%, der den Anwendungskreis des Art. 13
12 TRIEPEL '(a. a. O. S. 67) will die Zulässigkeit des Verfahrens auf
die Fälle beschränken, wo „irgendwo an einer beachtenswerten Stelle“
Zweifel oder Meinungsverschiedenheiten herrschen, Das bringt aber weder
die Verfassung noch das Ausführungsgesetz zum Ausdruck. M. E. genügt
schon eine Meinungsverschiedenheit zwischen zwei hamb. Senatorentöchtern
beim 5-Uhr-Tee, sofern nur der Herr Papa einen auf Anruf des Reichsge-
richts zielenden Senatsbeschluß zu erwirken vermag.
13 'TRIEPEL a. a. OÖ. S. 67.
ı2 POETZSOH, Handausgabe der Reichsverfassung ? 8. 61 Ziff. 2.
15 So auch TRIEPEL a. a. O. S. 91 Anm. 1. Auch hierin liegt eine
petitio principii — allerdings mit umgekehrtem Nenner. — In der Praxis
des Reichsgerichts wie des Reichsfinanzhofs ist diese Frage noch nicht
brennend geworden. Sie ist aber keineswegs eine reine Doktorfrage.
it Verh. d. Nat.Vers. Bd. 337 Nr. 441.