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Abs. 2 auch auf die Entscheidung über die Vereinbarkeit reichsrecht-
licher Vorschriften mit der RV. ausdehnen wollte, unerledigt blieb”,
um so weniger ableiten dürfen, als die parlamentarischen Beratungen
selbst im Verfassungsausschuß — um mit den Worten des Abgeord-
neten D. Dr. Kanu zu reden!® — „sehr lebhaft, aber etwas unklar
geführt“ worden sind. Eins dürfte aber jedenfalls zweifellos sein,
daß nämlich der Tenor des Beschlusses über die Vereinbarkeit von
Reichsrecht und Landesrecht keineswegs verfassungsmäßig oder gesetz-
lich gebunden ist. So pflegt z. B. das Reichsgericht jeweils die Reichs-
rechtsnorm konkret zu benennen, an der das strittige Landesgesetz
gescheitert ist!?; im Gegensatz dazu stellt der Reichsfinanzhof regel-
mäßig nur ganz allgemein die Unvereinbarkeit „mit dem Reichsrecht*
fest?°, Diese letztere Tenorierung wäre in der positiven Form zu
wählen, wenn der zuständige höchste Gerichtshof die Reichsrechtsnorm,
die dem fraglichen Landesgesetz entgegensteht, für verfassungswidrig
hält,
Für den Streit um die richterliche Prüfungszuständigkeit lassen
sich also aus Art. 13 Abs. 2 RV. und dem Ausführungsgesetz weder
Folgerungen nach der einen noch nach der anderen Seite hin gewinnen.
Insofern teilt die erwähnte Vorschrift das Schicksal der an Zahl nicht
geringen „Beweisgründe“, die man bereits ins Treffen geführt hat?'.
Wenn indessen die Gegner sich noch immer nach langem — allzu
langem — Waffengang im wesentlichen unversöhnt und unversöhnbar
gegenüberstehen, so deutet das schon darauf hin, daß das Problem
nicht mit den Mitteln der Begriffsscholastik zu lösen ist. Diese Er-
17 Ebendort Bd. 327, 45. Sitzung S. 1254 ff.
18 Ebendort Bd. 336, Nr. 391 S. 409. — Dieser Eindruck verstärkt sich,
wenn man feststellt, daß der Reg.Vertreter im Verf.Ausschuß Geh. RR.
ZLWEIGERT die „abstrakte Rechtsfrage“ des Art. 13 Abs. 2 RV. dem „kon-
kreten Rechtsverhältnis“ des Art. 19 RV. gegenüberstellen zu dürfen glaubte
(ebend. S. 114 u. 411). — Mit Recht a. A. Lassar a. a. O. S. 106; auch
TRIEPEL scheint das Wort „abstrakt“ nicht für treffend zu halten (a. a. O.
S. 68).
1? Vgl. RGBl. 1920 S. 2016; 1921 8. 735; 1921 S. 1359.
2° Vgl. RGBl. 1921 S. 1268; 1921 S. 1332; 1922 S. 215; 1922 S. 751.
21 Vgl. die zusammenfassende Darstellung für den Rechtszustand vor
der Staatsumwälzung bei SCHAcK, Die Prüfung der Rechtmäßigkeit von
Gesetz und Verordnung (für den Rechtszustand nach Inkrafttreten der
Weimarer RV. dess. Ausführungen im Arch. öff. R. Bd. 41 S, 163 ff.)
MEYER-ANSOHÜTZ, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts ? S. 736 ff.