Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 45 (45)

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Pfarrei die Räumung des Pfarrhauses von ihm gefordert. Durch Ur- 
teil des Landgerichts Rudolstadt vom 16. Oktober 1922 ist Munder 
dann zur Räumung des Pfarrhauses in Dorfilm verurteilt worden. 
Gegen das Urteil hat er Berufung eingelegt. 
Dies der Tatbestand, soweit er für die gutachtlich zu beleuchten- 
den prinzipiellen Fragen in Betracht kommt. 
Die folgenden Ausführungen nehmen zu folgenden Fragen Stellung: 
unter 1. Konnten die Gemeinden der Pfarrei Dorfilm, solange sie in ihrem 
Widerstande gegen den Anschluß an die Thüringer Kirche beharrten, 
derselben gegen ihren Willen angeschlossen werden und welche Folge- 
rungen ergeben sich aus ihrer Weigerung den Anschluß mitzumachen? 
unter 2. Wie ist die Rechtslage, dadurch, daß sich die Gemeinden der 
Pfarrei Dorfilm in eine anschlußfreundliche Mehrheit und eine anschluß- 
feindliche Minderheit gespalten haben, für diese Minderheit? Kann ins- 
besondere nach heutigem Recht das Verhältnis einer aus der Kirche 
austretenden Minderheit zu ihrem bisherigen kirchlichen Verband durch 
Staatsgesetz geregelt werden? 
1. 
Die Landeskirche in Rudolstadt war vor der Revolution eine reine 
Staatskirche insofern, als der Fürst „die Kirchenhoheit ausübte als 
Inhaber der Staatsgewalt sowie das Kirchenregiment im kirchenrecht- 
lichen Sinne“!. Nach dem Umsturz 1918 wurde „die Verwaltung der 
kirchlichen Angelegenheiten ohne besondere Anordnung, analog den 
sonstigen Verhältnissen im Staate, so gehandhabt, daß das Gesamt- 
ministerium als an die Stelle des Landesherrn getreten angesehen 
wird“ ?, Erst das Landesgesetz vom 30. März 1920 betr. die evange- 
lisch-lutherische Kirche (die Landeskirche) in Schwarzburg-Rudolstadt 
regelt das provisorische Verhältnis von Staat und Kirche in Rudolstadt 
gesetzlich dadurch, daß der $ 7 d. G. bestimmt: 
„Solange die Landeskirche eine eigene oberste Kirchenbehörde auf 
Grund ihrer Verfassung noch nicht besitzt, ist das Ministerium Träger 
des früheren landesherrlichen Kirchenregiments, das durch die bisheri- 
gen Kirchenbehörden ausgeübt wird.“ 
In Rudolstadt wurde also noch längst nach Inkrafttreten der Reichs- 
verfassung anscheinend ohne Widerspruch seitens der dazu berufenen 
! ScHwArtz, Das Staats- und Verwaltungsrecht des Fürstentums, 
Schwarzburg-Rudolstadt, 1909, S. 51. 
? REICHARDT, Der Neubau der Thüringer evangelischen Kirche, Jena 
1922, S. 42.
	        
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