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Das ist an sich durchaus möglich, ob es vom Standpunkte der Landes-
kirche aus wünschenswert wäre, ist allerdings eine andere Frage, die
hier aber nicht zur Erörterung steht.
Verfehlt erscheint es mir auch, wenn man die Kirchengemeinde
ohne weiteres mit einer politischen (femeinde vergleicht und ihr die
gleiche Unselbständigkeit wie dieser zuspricht (so eine gutachtliche
Aeußerung der thür. Kirchenregierung). Brepr weist darauf hin, daß
die Kirchenaustrittsgesetze „einen ganz gewaltigen Unterschied zwi-
schen der bürgerlichen und der kirchlichen Gemeinde geschaffen
hätten. Beide sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, aber aus
der bürgerlichen Gemeinde kann man nicht austreten,“ Und an
einer andern Stelle1% sagt er, „daß heute die Kirche zusammengehalten
wird durch den Willen ihrer Mitglieder und nicht durch staatlichen
Zwang. Die Kirchengemeinde steht in dieser Beziehung also begriff-
lich in der Mitte zwischen der bürgerlichen Gemeinde und dem bloßen
Verein“. Ganz ebenso ist die Landeskirche heute dem Staate nicht
mehr vergleichbar. Brepr weist mit Nachdruck darauf hin, daß der
durch das landesherrliche Kirchenregiment bestimmte Begriff der Landes-
kirche, der dieselbe mit den Staatsgrenzen zusammenfallen ließ, durch
den Wegfall dieses selbst in Wegfall gekommen ist. „Ein begrifflicher
Zusammenhang mit den Staatsgrenzen besteht heute überhaupt nicht
mehr, die Kirchen sind reine Freiwilligkeitskirchen gewor-
den!?”.“ Daraus zieht er den richtigen Schluß, daß die Kirche ohne
Rücksicht auf Staatsgrenzen heute soweit reicht, als der Wille der
Beteiligten die Zusammengehörigkeit zur Kirche will. Eingriffe eines
beteiligten ausländischen Staates auf Grund seiner Souveränität sind
möglich, den Ländern des Deutschen Reichs sind aber solche Eingriffe
durch die Reichsverfassung verboten. Sogar ein Gutachten der thür. Kir-
chenregierung vom 16. August 1922 muß darin Konzessionen machen,
wenn es sagt: „Gewiß liegen die Dinge für die Kirche als Gemeinschaft
noch anders als für den Staat. Denn gerade in religiösen Dingen ist
jeder Zwang vom Uebel.“ Er ist nicht nur vom Uebel, sondern wider-
spricht völlig den heutigen Grundsätzen, dem Freiwilligkeitscharakter der
Kirche und dem Grundsatz ihrer Trennung vom Staate. Daß aber an sich
eine Kirchengemeinde sehr wohl unabhängig von der Landeskirche sich
15 BREDT a. a. O. S. 185/186.
16 BREDT a. a. O. S. 235.
17 BREDT a. a. O. S. 718.
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