Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 45 (45)

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‘einer andern Religionsgesellschaft anschließen kann, das erkannte gerade 
die neugegründete Thüringer Kirche selbst in dem als Verfassungsstück der 
Thüringer Kirche geltenden Artikel8 des Beschlusses der 1. Thüringer 
Synode vom 5. Dezember 1919 über den Zusammenschluß der Thü- 
ringer Landeskirchen an. Artikel 8 sagt: „Der Eintritt in die Thüringer 
evangelische Kirche bleibt für weitere Landeskirchen und Teile 
solcher offen.“ Man muß sich dabei vor Augen halten, daß die 
Thüringer Kirche selbst ja keine alte Organisation ist, sondern daß 
sie auf revolutionärer Grundlage ruht. Der Anstoß zu ihrer Gründung 
ging zunächst gar nicht von den alten thüringischen Landeskirchen 
aus, sondern von einer ad hoc zusammengesetzten Vorsynode, die man 
nicht unzutreffend mit der Stellung eines Rats der Volksbeauftragten 
verglichen hat!®, Die Landeskirchen und deren Organe folgten zu- 
nächst nur zögernd. Der Landeskirchenrat in Sachsen-Weimar äußerte 
am 1. Oktober 1919 erhebliche Bedenken gegen die Berechtigung des 
Vorstands der Vorsynode, die Einberufung der Thüringer Synode zu 
bewirken!?. Und gerade die Landeskirche Schwarzburg-Rudolstadt 
machte lange erhebliche Schwierigkeiten und behielt sich ihre Zustim- 
mung noch geraume Zeit vor?®. Erst am 15. Oktober 1920 bat der 
Vertreter der Kirchenregierung Rudolstadt um Aufnahme seiner Lan- 
deskirche in die Thüringer Kirche?!, ein Antrag, dem allerdings jede 
rechtliche Bedeutung abgesprochen werden muß, da der Rudolstädter 
Landeskirchentag damals noch gar nicht Stellung genommen hatte. 
Aus dieser Entstehung der Thüringer Kirche heraus scheint mir auch 
Artikel 8 verständlich zu sein. Man wollte etwas Neues schaffen und 
suchte für dieses Neue zu werben bei den kirchlichen Verbänden inner- 
halb und außerhalb Thüringens, nicht nur bei den alten Landeskirchen, 
sondern auch bei einzelnen Gemeinden. Ob dieser Anschluß nur mit 
Zustimmung der betr. Landeskirche, der die fragliche Gemeinde bisher 
angehört hatte, möglich war oder nicht, braucht hier nicht erörtert zu 
werden, geht auch aus dem Artikel 8 selbst nicht hervor, der nur von 
dem Offenstehen der Thüringer Kirche für Teile anderer Landeskirchen 
spricht. Der Beschluß der Thüringer Synode war zunächst überhaupt 
für niemand rechtsverbindlich, da ja die Thüringer Kirche damals noch 
8 REIOHARDT a. a. O. S. 11 ff. besonders S. 17. 
19 REICHARDT a. 8. O. S. 16. 
22 REICHARDT a. a. O. S. 17. 
2! REIOHARDT a. a. O. S. 27.
	        
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