_- 237 —
Eine weitere Frage ist nun aber, ob der Staat auch heute die
Möglichkeit hat, die Rechte einer derartigen Minderheit an der Be-
nutzung kirchlicher Einrichtungen durch Staatsgesetz zu regeln. Und
damit verknüpft sich die weitere prinzipielle Frage, ob der Staat
nach dem heutigen Verhältnis von Staat und Kirche den Austritt
einer Kirchengemeinde aus einer Landeskirche und die damit ver-
knüpften vermögensrechtlichen Beziehungen durch Staatsgesetz regeln
kann.
Daß früher derartige Rechte von Minderheiten durch Staatsgesetz
geregelt wurden, steht fest. Erinnert sei nur an die preußischen
und badischen Gesetze über die Verhältnisse der Altkatholiken
(preußisches Gesetz betr. die Rechte der altkatholischen Kirchen-
gemeinschaften an dem kirchlichen Vermögen vom 4. Juli 1875, badi-
sches Gesetz vom 15. Juni 1874, die Rechtsverhältnisse der Altkatholiken
betr.). Beide Gesetze regeln für die damals neuentstandenen alt-
katholischen Gemeinschaften die Mitbenutzung der Kirche und der
kirchlichen Gerätschaften und überweisen auch die Pfründe bei Er-
ledigung denselben, wenn die Gemeinschaft in diesem Zeitpunkte die
Mehrheit im Kirchspiel bildet. Eine derartige Gesetzgebung hält
Dr. Harnısca in seiner Eingabe für möglich, von seinem Standpunkte
aus aber gar nicht erst für nötig. Umgekehrt sieht das Gutachten
der thür. Kirchenregierung in einer derartigen Gesetzgebung „einen
Eingriff in unser durch Art. 137 Abs. 3 gewährleistetes Selbstver-
waltungsrecht“. Wie aus dem ersten Teil des Gutachtens hervorgeht,
käme eine solche Gesetzgebung für Gemeinden, die aus Bekenntnis-
gründen als solcbe den Anschluß an eine nach ihrer Ansicht bekenntnis-
fremde Kirche verweigert haben, nicht in Frage, da für sie ein zwangs-
weiser Anschluß in den neuen Verband nicht möglich ist und sich für
sie in der Frage des kirchlichen Vermögens nichts geändert hat.
Andererseits besteht aber für Minderheiten, die sich außerhalb ihres
Verbandes gestellt haben, an sich kein Recht auf Teilhabe an den
kirchlichen Einrichtungen, bzw. an der Pfründe. Ebenso besteht nach
bisherigem Recht nur das Recht des Austritts einzelner Personen aus
der Kirche. Treten also sämtliche Mitglieder einer Kirchengemeinde
aus, so fällt die bisherige juristische Person weg und das ihr gehörige
Vermögen würde herrenlos. Diese Folgerungen ergeben sich aus der
Tatsache, daß m. E. entgegen der Ansicht von Dr. Harnısc# durch
die Revolution und die durch sie erfolgte Neuregelung des Verhält-
nisses von Staat und Kirche zwar wohl das bisherige landeskirchliche