Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 45 (45)

— 240 — 
schaft als Körperschaften des öffentlichen Rechts überall nur die 
ihnen jetzt durch die Reichsverfassung Artikel 137 Abs. 6 ausdrück- 
lich beigelegte Berechtigung „auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten 
nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu er- 
heben“ — die ihnen also von der Landesgesetzgebung auch da einzu- 
räumen ist, wo sie ein Besteuerungsrecht bislang noch nicht besaßen. 
Im übrigen ist nach Abs. 5 daselbst das materiell 
verschiedene Landesrecht für die öffentlich-recht- 
liche Stellung der Kirchen maßgebend, und diese 
kann im Wege der Landesgesetzgebung auch Verände- 
rungen erfahren, sofern solche nur nicht soweit gehen, 
daß sie die Kirche zu privaten Korporationen herab- 
drücken, was praktisch allerdings heute schon deshalb nicht ge- 
schehen kann, weil, selbst wenn in einem Lande die übrigen auf 
Landesrecht beruhenden Privilegien der Kirchen durch die Landes- 
gesetzgebung aufgehoben werden würden, ihnen doch das reichsrecht- 
lich festgelegte Besteuerungsrecht verbleiben würde, und sie schon 
deshalb als öffentlich-rechtlich gehobene Körperschaften angesehen 
werden müßten.“ 
Die Reichsverfassung schützt also abgesehen vom Besteuerungs- 
recht nur die Stellung der bisherigen Landeskirchen als öffentliche 
Korporationen an sich, legt aber der Landesgesetzgebung keine 
Schranken in ihrem Gesetzgebungsrecht auf, soweit diese Stellung der 
Kirchen als öffentlich-rechtliche Korporationen nur gewahrt bleibt. 
Wenn nun behauptet wird, daß eine Gesetzgebung, die die Rechte 
von Minderheiten und das Recht und die vermögensrechtlichen Folgen 
des Austritts von Kirchengemeinden staatsgesetzlich regelt, gegen 
das im Art. 137 Abs. 3 garantierte Selbstverwaltungsrecht der Religions- 
gesellschaften verstieße, so kann ich dem nicht zustimmen. Art. 137 
Abs. 3 garantiert den Kirchen ihr völliges Selbstbestimmungsrecht im 
Gebiete des inneren: Kirchenrechts, das heute mit dem Staatsrecht 
überhaupt nichts mehr zu tun hat. Gegen diese Garantie verstieß, 
wie oben ausgeführt wurde, das rudolstädtische Gesetz, das nach 
Erlaß der Reichsverfassung den Uebergang der kirchenregimentlichen 
Gewalt auf das Staatsministerium dekretierte. Das war ein gesetz- 
licher Uebergriff, gegen den die Rudolstädter Landeskirche allerdings 
damals nicht protestiert zu haben scheint. Denn hier stand die innere 
Organisation der Kirche in Frage. Um sie handelt es sich aber nicht, 
wenn der Staat aus Gründen des öffentlichen Interesses die Möglich-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.