Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 45 (45)

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Am 10. Januar 1923, dem Tage vor dem Einmarsch der Franzosen 
ins Ruhrgebiet, hatte die Leitung der Kruppschen Gußstahlfabrik er- 
klärt, die Arbeit werde fortgeführt werden, so lange die Franzosen 
sich von Eingriffen in den Betrieb fernhielten. Bald aber kam es zu 
solchen Uebergriffen in anderen und auch in den Kruppschen Werken. 
Daher wurde am 17. März 1923 zwischen den Direktoren Schraepler 
und Cuntz, den für die Verhandlungen mit der Arbeiterschaft zustän- 
digen Organen, und dem Arbeiterbetriebsausschusse der Gußstahlfabrik 
vereinbart, daß im Falle einer militärischen Besetzung von Teilen der 
Fabrik die Arbeiter durch die Sirenen zur Arbeitseinstellung zwecks fried- 
licher Demonstration aufgefordert werden sollten. Eine solche Kund- 
gebung war nach deutschem Rechte nicht nur zulässig, sondern durch 
die Proklamation des passiven Widerstandes und die von der Reichs- 
und den beteiligten Landesregierungen gegen den Bruch des Versailler 
Friedensvertrags erhobenen Proteste (vom 11. und vom 20. Januar) 
noch besonders sanktioniert. Die gleichen Demonstrationen waren auf 
einer großen Anzahl anderer Werke stets ungehindert durch die Be- 
satzungsbehörden verlaufen und hatten zu Gewalttätigkeiten gegen die 
Truppen nie geführt. Wie eine Arbeitseinstellung Rechte der okkupie- 
renden Macht überhaupt nicht berührte, so konnte diese erst recht 
nicht beanspruchen, daß weitergearbeitet werde während der Dauer 
einer Werksbesetzung. Die Arbeitsniederlegung war in gleicher Ge- 
stalt mehrfach auch erfolgt, wenn Reichswehr in die Fabrik eingerückt 
war, richtete also ihre Spitze nicht gegen das fremde Militär. Die 
Arbeiterschaft war entschlossen, nicht zu arbeiten „angesichts der 
Bajonette* und gab ihrem Unwillen über militärische Einmischung 
durch Demonstrationsstreik Ausdruck. Die Bedeutung der Verein- 
barung vom 17. März ist damit klargestellt. Sie sind auf fried- 
liche Kundgebung, worin die Arbeiterschaft ihre Genugtuung sah 
gegenüber einem ihrem Klassenbewußtsein, ihrer besonderen Ehrauf- 
fassung widerstrebenden Einrücken, Verweilen fremder — oder auch deut- 
scher — Truppen in der Fabrik. 
Die Katastrophe vum 31. März in Essen ist noch in frischer 
Erinnerung. Die wesentlichen Momente sind: 
In der Frühe des 31. März hatte eine französische Abteilung von 
11 Mann unter Führung eines Offiziers die Personenkraftwagenhalle 
der Fabrik besetzt und den Arbeitervertretern erklärt, daß sie dort 
verbleiben werde bis zur Ankunft einer Kommission, die den Auftrag 
habe, geeignete Autos zn beschlagnahmen. Wiederholte Versuche, die
	        
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