Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 45 (45)

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klaren Rechte der Verurteilten. Diese Prüfung auf unbeirrbare Unab- 
hängigkeit des Urteils hat er nicht bestanden, er entzog sich seiner 
Richterpflicht. Das gleiche Schicksal des Rechtsbehelfs in der Krupp- 
Sache war vorauszusehen. 
2. Die Anklage und entsprechend die Verurteilung sind mit hand- 
greiflichem inneren Widerspruch belastet. Die Vereinbarung des Sire- 
nenziehens vom 17. März soll das Ziel gehabt haben, zu gewalttätigem 
Widerstand gegen die Besatzungstruppen aufzureizen, und wird als 
verbrecherische „Machenschaft“ unter die Verordnung vom 7. März 
gezogen. Dann aber waren das Sirenenziehen und der dadurch ver- 
anlaßte Demonstrationsstreik der Arbeiter am 31. März die Ausfüh- 
rung des geplanten Unternehmens und gewiß nicht in geringerem Maße 
strafbar als die Abrede. Der Zusammenhang des ganzen Geschehens 
liegt klar vor Augen. Anklage und Urteil aber finden in der Aus- 
führung des Beschlusses, dem Sirenenziehen usw., nur eine Störung 
der öffentlichen Ordnung im Sinne der Verordnung vom 11, Januar. 
Da nun die Vereinbarung vom 17. März lediglich auf das Sirenen- 
ziehen usw. ging, irgendwelche andere „Machenschaften“ nicht fest- 
gestellt sind, in dem Sirenenziehen aber nur Ordnungsstörung gefun- 
den wurde, so konnte die Verordnung vom 7. März überhaupt nicht 
zur Anwendung kommen, da das Ziel der in ihr bedrohten „Machen- 
schaften“ etwas ganz anderes ist als bloße Störung der öffentlichen 
Ordnung. 
Die Erklärung dieses Zwiespalts im Urteile ist nicht weit zu suchen. 
Krupp v. Bohlen und die Direktoren sollten aufs empfindlichste ge- 
troffen werden und dazu boten die drakonischen Strafen der Verord- 
nung vom 7. März die Handhabe. Gewalttätiger Widerstand ließ 
sich aus dem Demonstrationsstreik schlechterdings nicht herleiten, aber 
dieser durfte sich auch nicht in ein bloßes Nichts verflüchtigen, da dann 
die vorgängige Vereinbarung auf strafbares Tun überhaupt nicht ge- 
richtet gewesen wäre. Also Ordnungsstörung! Freilich konnte eine 
Störung im Fabrikbetriebe als solche die Besatzungsbehörde überhaupt 
nicht berühren, vielmehr nur, wenn sich eine Bedrohung der Truppen- 
abteilung damit verband. Diese Voraussetzung traf nicht zu; mit ihr 
aber kam nicht bloße Ordnungsstörung in Betracht und es wurde dann 
die Verordnung vom 11. Januar unanwendbar. Dieser völlige Mangel 
an Logik in den Urteilsgrundlagen ist vielleicht überhaupt nicht 
empfunden worden. Jedenfalls war das Verurteilungsstreben gegen 
Krupp usw. stärker als logische Erwägung.
	        
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