— 250 —
klaren Rechte der Verurteilten. Diese Prüfung auf unbeirrbare Unab-
hängigkeit des Urteils hat er nicht bestanden, er entzog sich seiner
Richterpflicht. Das gleiche Schicksal des Rechtsbehelfs in der Krupp-
Sache war vorauszusehen.
2. Die Anklage und entsprechend die Verurteilung sind mit hand-
greiflichem inneren Widerspruch belastet. Die Vereinbarung des Sire-
nenziehens vom 17. März soll das Ziel gehabt haben, zu gewalttätigem
Widerstand gegen die Besatzungstruppen aufzureizen, und wird als
verbrecherische „Machenschaft“ unter die Verordnung vom 7. März
gezogen. Dann aber waren das Sirenenziehen und der dadurch ver-
anlaßte Demonstrationsstreik der Arbeiter am 31. März die Ausfüh-
rung des geplanten Unternehmens und gewiß nicht in geringerem Maße
strafbar als die Abrede. Der Zusammenhang des ganzen Geschehens
liegt klar vor Augen. Anklage und Urteil aber finden in der Aus-
führung des Beschlusses, dem Sirenenziehen usw., nur eine Störung
der öffentlichen Ordnung im Sinne der Verordnung vom 11, Januar.
Da nun die Vereinbarung vom 17. März lediglich auf das Sirenen-
ziehen usw. ging, irgendwelche andere „Machenschaften“ nicht fest-
gestellt sind, in dem Sirenenziehen aber nur Ordnungsstörung gefun-
den wurde, so konnte die Verordnung vom 7. März überhaupt nicht
zur Anwendung kommen, da das Ziel der in ihr bedrohten „Machen-
schaften“ etwas ganz anderes ist als bloße Störung der öffentlichen
Ordnung.
Die Erklärung dieses Zwiespalts im Urteile ist nicht weit zu suchen.
Krupp v. Bohlen und die Direktoren sollten aufs empfindlichste ge-
troffen werden und dazu boten die drakonischen Strafen der Verord-
nung vom 7. März die Handhabe. Gewalttätiger Widerstand ließ
sich aus dem Demonstrationsstreik schlechterdings nicht herleiten, aber
dieser durfte sich auch nicht in ein bloßes Nichts verflüchtigen, da dann
die vorgängige Vereinbarung auf strafbares Tun überhaupt nicht ge-
richtet gewesen wäre. Also Ordnungsstörung! Freilich konnte eine
Störung im Fabrikbetriebe als solche die Besatzungsbehörde überhaupt
nicht berühren, vielmehr nur, wenn sich eine Bedrohung der Truppen-
abteilung damit verband. Diese Voraussetzung traf nicht zu; mit ihr
aber kam nicht bloße Ordnungsstörung in Betracht und es wurde dann
die Verordnung vom 11. Januar unanwendbar. Dieser völlige Mangel
an Logik in den Urteilsgrundlagen ist vielleicht überhaupt nicht
empfunden worden. Jedenfalls war das Verurteilungsstreben gegen
Krupp usw. stärker als logische Erwägung.