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dieses Grundprinzip der strafenden Gerechtigkeit verstößt das Werdener
Urteil e Unter der „Schuld“ Krupps und der Direktoren kann man
sich alles mögliche denken: Täterschaft, Anstiftung, unterlassene Ver-
hinderung oder auch ein anderes Verhältnis — Beaufsichtigung des
Geschäftsbetriebes, Leitung der Fabrik —, das dem Gericht genügte,
die Angeklagten verantwortlich zu machen.
Sollte der Gesichtspunkt unterlassener Verhinderung bestimmend
gewesen sein, so ständen der Mangel einer rechtlichen Hinderungs-
pflicht und die Unausführbarkeit der Verhinderung entgegen. Die
Arbeiter waren nicht, wie der französische Staatsanwalt in unbegreif-
licher Verkennung des modernen Arbeitsverhältnisses ausgeführt hat,
die „Untergebenen“ Krupps und der Direktoren, so daß diesen ihre
Beaufsichtigung obgelegen hätte. Und läßt sich bei dem Selbstgefühle
der organisierten Arbeiterschaft ein Demonstrationsstreik durch freund-
liches Zureden der Direktion unterdrücken ?
4. Die Anwendbarkeit der Verordnung vom 7. März war nach
der französischen Rechtslehre, CHAuvEAu et H£LIE, GARRAUD usw,,
ausgeschlossen. Für „machinations* nach Art. 76 f. des code penal
— die gleiche Auslegung des Begriffs in der Verordnung ist sicher —
werden erfordert der bestimmte Nachweis einer „intention criminelle“
und die Heimlichkeit des Betreibens, der Abreden. Die Vereinbarung
aber ging auf friedliche Kundgebung, für eine auf Gewalttätig-
keiten gerichtete Absicht hat sich nicht der geringste Beweis ergeben.
Gleiche Demonstrationen waren auf den Zechen und in den Fabriken
des Ruhrgebiets an der Tagesordnung, wenn Truppen einrückten, und
die Besatzungsbehörden wußten, daß sie dann bevorstanden. Auch am
31. März ist das Detachement in Erwartung der Kundgebung entsandt
worden. Den vielen Tausenden von Arbeitern der Gußstahlfabrik war
die Vereinbarung bekannt. Wie kann da von geheimer Machenschaft
die Rede sein ?
So erweist sich die Rechtsgrundlage der Verurteilung Krupps usw.
nach allen Richtungen hin als brüchig.
5. Schon die Eröffnung der Untersuchung war unter Verletzung
des Prozeßrechts, code de just. mil. art. 99, erfolgt. Hiernach mußte
die Einleitungsverfügung („ordre d’informer“) genau die Tatsachen
angeben, die den Grund der Verfolgung bilden sollten. Eine im Ver-
eidigungsinteresse gebotene Vorschrift! Dem entspricht auch das amt-
liche Formular zu Art. 99. Eine Ministerialverfügung vom 9. Dezember
1880 hatte die Beobachtung der Bestimmung noch eingeschärft. Trotz-