Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 45 (45)

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gehabt. Das war doch wenigstens etwas. Aber ganz gewiß nicht 
„Machenschaft“. Denn nur friedliche Kundgebung stand in Frage 
und es ist von den Arbeitern der Friede nicht gebrochen worden. 
d) Aus demselben Grunde verbot sich die Bestrafung Müllers. 
Seine Beteiligung an dem Beschlusse, das Signal zur Arbeitseinstellung 
zu geben, belastet ihn nicht, da nur Erlaubtes beabsichtigt war und 
nichts anderes geschehen ist. Ja, durch zahlreiche Zeugenaussagen 
steht fest, daß gerade Müller fortgesetzt als Ordnungshüter und Frie- 
denswächter tätig gewesen ist, daß er nach Abstellen der Sirenen die 
Arbeiter zur Rückkehr in die Werkstätten aufgefordert, Verbindung 
mit dem französischen General gesucht hat, um den Abzug des Kom- 
mandos zu erreichen. 
e) Wäre die Verurteilung des Ingenieurs Groß wegen Ordnungs- 
störung erfolgt, indem man ihn für die Anteilnahme von Lehrlingen 
an der Kundgebung verantwortlich gemacht hätte, so ließe sich seiner 
Bestrafung, so unverdient sie auch bei dem rechtlich unanfechtbaren 
Charakter der Demonstration gewesen wäre, wenigstens noch ein Sinn 
beimessen. Aber er ist, obwohl den vorgängigen Beschlüssen ganz 
fernstehend, wegen Machenschaften nach der Verordnung vom 7. März 
bestraft worden, die doch für ihn mangels solcher Beteiligung nach 
der Anklage selbst und dem Urteil wider die Andern ganz außer Frage 
stand. Also auch hier Verurteilung ohne Tatbestand, einem Nichts 
gegenüber. — 
Das Urteil ist, nachdem auch der letzte Rechtsbehelf, der Ange- 
klagten, der Kassationsrekurs gescheitert ist, nach französischem Rechte 
„rechtskräftig“ geworden. Aber nichtig und ungerecht durch und durch 
hat es auf den Namen eines Rechtsentscheids und auf Bestand nicht 
Anspruch. 
Die Wahrung der Gerechtigkeit ist Grundbedingung jeder sittlichen 
Ordnung. Schlimmer, offenkundiger als im Krupp-Prozesse ist sie kaum 
jemals verletzt worden. Zu klarer Vergewaltigung des Rechtes zu 
schweigen, wäre Hintansetzung der ersten, der heiligsten Juristenpflicht. 
Nicht ein deutsches Anliegen, sondern ein Gut der gesitteten Mensch- 
heit steht in Frage. Schon haben sich Stimmen aus der Schweiz, den 
Niederlanden, Finnland usw. zugunsten des gebrochenen Rechts er- 
hoben. Einmütige Verurteilung des Werdener Spruchs durch berufene 
Rechtskenner aller Kulturstaaten wird nicht ein papierner Protest, 
sondern eine lebendige Macht sein, die sich durchsetzt und den un- 
schuldig Verurteilten die Freiheit zurückgibt.
	        
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