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IH.
Literatur.
W, Henrich, Theorie des Staatsgebietes entwickelt aus der Lehre
von den lokalen Kompetenzen der Staatsperson, 1922, Hölder-Pichler,
Tempsky Verlag. 151 8.
HENnRICH, ein Schüler KrLsEns, dem auch diese Schrift gewidmet ist,
wendet die „reine Rechtslehre* seines Meisters auf eine Frage an, die
zweifellos bisher besonders stark unter der lange in der deutschen Staats-
rechtswissenschaft herrschenden Methodenverwirrung gelitten hatte, Er
verwirft bei der Klarstellung des Problemes des Staatsgebiets zunächst das
„Dogma vom dreiteiligen Staatsbegriff“, der das Gebiet als eines der drei
Staatselemente, Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt behandelt. In
strenger Durchführung der normativen Methode ist auch ihm der Staat nur
ein Zurechnungspunkt, in dem Handlungen eines Rechtssubjektes als Ein-
heit erfaßt werden. Von diesem Standpunkte aus wird ihm das Staatsgebiet
zu einer „Sammelstelle, zum Inbegriff der lokalen Kompetenzen der Staats-
organe* (S. 35). „Staatsgebiet im engeren Sinne ist der Inbegriff derjenigen
lokalen Kompetenzen der Staatsorgane, die sich auf die reguläre Gesetz-
gebung, Rechtsprechung und Verwaltung des Staates beziehen (S. 38). Diese
Kompetenzlehre wird dann nicht nur auf das Staatsgebiet im engeren Sinne
sondern auf eine Reihe besonders wichtiger Gebietsfiguren (Küstenmeer,
Kondominat, Nebenländer, insbesondere Kolonien, den Bundesstaat, das
offene Meer und die Meeresfreiheit, den Luftraum) angewandt. In den Schluß-
kapiteln werden dann schließlich die sogenannten Einschränkungen der
Gebietshoheit (Staatsservituten, Exterritorialität, das vom Feind besetzte
Gebiet) und die Veränderungen des Staatsgebiets (Erwerb und Verlust von
Staatsgebiet, die Staatensukzessionen) vom Standpunkte der Kompetenzlehre
aus kritisch beleuchtet.
Die logische Geschlossenheit dieser Theorie soll nun nicht geleugnet
werden. Dafür sind ihr aber nur enge Grenzen gesetzt. Betrachten wir
z. B, den zur Zeit des Ruhreinbruchs natürlich besonders aktuellen Abschnitt
über das vom Feind besetzte Gebiet (S. 106 ff.). Die kriegerische Besetzung