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kreter Rechtssätze gestützt. Und diese Methode wird auch die
Weiterentwicklung meiner Rechtslehre beherrschen.
Unklar ist ferner Kunz’ Behandlung des Problems des positiven Rechtes.
Er sagt: „Positives Recht allein ist Recht, insofern es aus einem einheit-
lichen Ursprung nach einheitlicher Methode im System des Rechts erzeugt
ist, erfahrungsmäßig gegeben ist. Naturrecht als nicht erfahrungsmäßig
gegebenes „Recht“ bleibt von der Rechtswissenschaft ausgeschlossen“
(S.5). Kunz’ Definition schließt sich eng an meine ersten Definitionen
an (vgl. meine Abhandlungen „Das Faktum der Revolution usw.“
„Die transzendentale Methode usw.*, „Alte und neue Staatsrechtslehre“
in der „Zeitschrift für Öffentliches Recht“, Wien 1919, 1920). Aber diese
Erzeugungsmethode ist das Rechtsverfahren, nicht die Logik
der Rechtswissenschaft. Das Rechts verfahren aber bedeutet eine souveräne
Methode der Daseinssetzung, die Realurteile des Rechtes konsti-
tuieren eine Erfahrung. Nicht darin liegt das Kriterium des positiven
Rechtes, daß es für die Rechtswissenschaft „erfabrungsmäßig* gegeben ist.
Denn auch die Postulate des Naturrechtes sind — als bestimmte psychische
Akte — der Rechtswissenschaft „erfahrungsmäßig“ gegeben. Das positive
Recht aber ist nicht bloß für die Rechtswissenschaft „er-
fahrungsmäßig* gegeben, sondern ist kraft seinesimmanenten
„Sinnes“ eine „Erfahrung“, ein Zusammenhang von Daseinssetzungen,
von Realurteilen über „wirkliche“ rechtserhebliche Tatsachen. Diese
Theorie des Rechtes ist der durch Analyse des positiven Rechtes gewonnene
Fundamentalsatz meiner Theorie der Rechtserfahrung, jener Ausgangs-
punkt, welcher sie radikal von der Rechtsdogmatik und von KELSENs
normativer Jurisprudenz unterscheidet und deshalb auch alle Betrachtungen
Kunz’ über ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen meinen und KELSENS
Gedanken völlig nutzlos macht.
Prag. Fritz Sander.
Alois Rasin, Die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Tschech.o-
slovakei. Einzig autorisierte Uebersetzung von Dr. Paul J. Eisner.
München und Leipzig. Verlag von Duncker & Humblot 1923. X u.
164 S., 3 Tabellen.
Die Tschechoslovakei hat sich durch die Energie, mit der sie die
Sanierung ihrer leidenden Währung in Angriff nahm, vor allen andern
Staaten gleicher Lage hervorgetan und auch die Erwägung, daß eine
geringere Kriegebelastung ihr dieses Zugreifen leicht machte oder aus-
sichtsreich erscheinen ließ, kann die Verdienstlichkeit des Entschlusses und
seiner raschen Durchführung nicht eigentlich schmälern. Rasin hat wie
bei der Gründung des tschechischen Staates so bei der Finanzreform eine
hervorragende Rolle gespielt und wenn seiner Darstellung also das Apolo-