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sind“, verstanden werden müßten. Auch die damit angebahnte
„freie Beurteilung“, welche der Gerichtshof selbst (a. a. O.
S. 117) — wörtlich — als die allein angemessene auf den Schild
hebt, führt, wenngleich sie ein wesentliches Stück weiter bringt,
doch noch keineswegs ganz zum Ziele. Zwar nähert sie sich
schon recht stark der Betrachtung, welche das Kammergericht —
vornehmlich in Bd. 37B S. 4 — auch noch wesentlich später
mit aller Entschiedenheit ablehnen zu müssen glaubte, — daß
nicht nur einzelne oder Kategorien von solehen, sondern unter
Umständen auch ein ganzes Volk oder wenigstens geschlossene
Volksstände als „hilfsbedürftig“ anzuerkennen seien, eine Betrach-
tung, welche leider für das deutsche Volk unserer Tage so traurige
Berechtigung hat. Ist doch die allgemeine Lebenshaltung bei
uns derart nach untenhin verschoben, daß neuestens der Vorstand
der „Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege Ge-
fallenen“ sich veranlaßt sah!®, unter Hinweis darauf, daß „zu
den weniger Begüterten (Hilfesuchenden!) .. . seit geraumer
Zeit solche Kreise hinzutreten, die man vordem zu dem wirt-
schaftlich besser situierten Mittelstande rechnete, .... Krieger-
witwen, deren Söhne und Töchter eine bessere Ausbildung ge-
nießen, die sie aber abbrechen müssen, weil die zur Verfügung
stehenden Mittel nicht ausreichen“ (!) einen dringenden Appell
an die Rechtspflege zu richten, sie möge die Berücksichtigung der
genannten Stiftung in letztwilligen Verfügungen tunlichst fördern!,
— ein klassisches, tragisch ernstes Beispiel für die Unzulänglich-
keit der kammergerichtlichen und jeder mit ihr übereinstimmen-
den Rechtspreebung und Gesetzgebung, da diese ja folgerecht der
Nationalstiftung an sich, vornehmlich aber in solcher Ausdehnung,
die Förderung versagen muß, welche die Wertung als „milde
18 Schreiben des St.Vorstands an d, Preuß. Justizminister v. 13. Mai
1922, von diesem mitgeteilt durch Allgem. Verf. v. 23. Mai 1922 (Just.
Min.Bl. S. 194). Nach einer neuerlichen Mitteilung der Tageszeitungen sind
z. B. auch die Berliner städtischen Stiftungen jetzt (durch die Geldent-
wertung) in eine sehr bedrängte Lage geraten!