— 807 —
Aber diese haben noch nicht genügend feste, vor allem noch
nicht formaljuristisch so feste Gestalt angenommen und sind noch
zu vereinzelt und zu wenig bewußt, um auch die Rechtspflege
zumal für die Stiftungen nachhaltig und grundlegend zu beein-
flussen. Wir müssen aber mit voller Klarheit und rückhaltloser
Entschiedenheit zu einer grundlegenden Revision unserer
für dieses Rechtsgebiet bestimmenden Begriffe, vor allem des Be-
griffs „gemeinnützig“, aber auch desjenigen „milde“ kommen.
Für den ersteren zeigt uns $ 87 Abs. 1 BGBs selbst den richti-
gen Weg, dem wir nur durch Ausschöpfung seines ganzen Ge-
halts zu folgen brauchen. Aber auch für die Begriffsreform der
„milden“ Stiftungen besitzen wir in ihm eine Anleitung von nicht
geringem Werte: denn in seinem Sinne sind dieser Spezies alle
diejenigen stiftungsmäßigen Erscheinungen zuzurechnen, welche
aus dem Beweggrunde eines gewissen menschlichen Edelm uts
dem „Gemeinwohle“ zu dienen streben, welche also aus dem Kreise
der dem gleichen Ziele zugewendeten großen Gattung durch den
Hinzutritt dieses einen Umstandes, aber allein dadurch heraus-
gehoben werden. Man wird einwenden, daß damit die Grenzen der
gedachten Spezies zerfließen und sich verwischen, daß diese Um-
gestaltung sogar zu einer Auflösung des Begriffs „gemeinnützig“
führt, da hienach schließlich alle Stiftungen — mit Ausnahme
———
hat übrigens nebeneinander 3 Wendungen „Forderungen des Gemeinwohls“
(151 Abs. 2) „Wohl der Allgemeinheit“ (153 Abs. 2) „Gemeines Bestes“
(Art. 153 Abs. 3). — Der Sache nach wurde dieser Gedanke als der auch
hinsichtlich unseres Gegenstandes leitende übrigens schon bei der Er-
örterung der Entwürfe des BGB. erkannt: so hebt bereits GREIFF in seiner
Besprechung der Beratungen der II. Kommission, Gruchots Beiträge Bd. XXX VII
S. 691, richtig hervor, daß „angesichts der Unmöglichkeit (!), die zulässigen
Zwecke von Stiftungen im Gesetze festzustellen (!)* als Maßstab, als
entscheidend angenommen worden sei, „ob der Stiftungszweck vom Stand-
punkte des Gemeinwohls (!) geeignet erscheine, die Schaffung
eines selbständigen ZweckvermögensauflängereZeitzu rechtfertigen“. —
Treffender konnte kaum zum Ausdruck gebracht werden, daß das Gemeine
Reichszivilrecht an diesem Punkte von der Auffassung beherrscht werden
sollte, welche die Darlegungen der Abhandlung vertreten! —