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Die beiden Entscheidungen im 6. Bande beschäftigen sich mit der
Frage, ob Gemeindebeschlüsse der Städte Detmold und Baden-Baden
über Einführung von Abgaben vor einem vom Reiche gesetzten End-
termin für solche Beschlüsse zustande gekommen seien; sie betreffen
also das Uebergangsrecht und sind in ihren Einzelheiten nicht mehr
unmittelbar von Interesse. Beachtenswert ist in beiden Erkenntnissen
die Genauigkeit, mit welcher der RFH. das in Frage kommende
Landes- und Gemeindeverfassungsrecht untersucht: es muß festgestellt
werden, ob nach lippischem Recht eine landesrechtliche Verpflich-
tung der Gemeinden besteht, bestimmte Abgaben zur Deckung von
Fehlbeträgen zu erheben, ob infolgedessen die Gemeindesteuerordnungen
auf Grund solcher Anweisungen eines Landesgesetzes nur als Aus-
führung des Landesgesetzes oder als selbständige Steuerordnung der
Gemeinde zu gelten haben, welche Gebietskörperschaft nach lippischem
Recht als „weiterer Kommunalverband“ anzusehen ist, ob nach der
badischen Städteordnung ein Gemeindebeschluß schon mit seiner
Fassung durch den Stadtrat oder erst mit Zustimmung des Bürger-
ausschusses zustande kommt, ob diese Zustimmung nicht u. U. zeitlich
auf den ersten Beschluß zurückwirkt, ob Stadtrat und Bürgeraus-
schuß selbständige Rechtspersönlichkeiten oder nur Organe der Stadt-
gemeinde sind. Alle diese Fragen beantwortet der RFH. abweichend
von der Stellungnahme des zuständigen Landesministeriums, das an
und für sich doch wohl als berufener Interpret des eignen Partikular-
rechtes gelten sollte! Man kann beim Lesen dieser (und anderer)
Reichsaufsichtsentscheidungen ein gewisses Gefühl der Beschämung
darüber nicht unterdrücken, daß oberste Landesbehörden sich zu auf
den ersten Blick durchsichtigen Verdrehungen ihres eignen Rechts
herbeilassen, nur um dem Reiche gegenüber eine unzulässige Steuer-
ordnung einer ihrer Gemeinden durchzusetzen.
Das schon erwähnte Gutachten Bd. 8 S. 48 behandelt die Frage,
ob Steuern der Selbstverwaltungskörper auf das Halten von Zug-
und sonstigem Nutzvieh mit einer Bestimmung des vorrevolutionären
Steuerstaatsrechts, dem $ 13 des Zolltarifgesetzes vom 25. Dezember
1902, vereinbar seien, der kommunale Abgaben auf verschiedene
Nahrungsmittel, u. a. auf „Backwaren, Vieh, Fleisch, Fleischwaren
und Fett“ verbietet. Man wird den Ausführungen des Senats folgen
dürfen, wenn er unter ausgiebiger Benutzung der Parlamentsakten
nachweist, daß unter „Vieh“ im Sinne dieser Vorschrift nur das zu
Ernährungszwecken bestimmte Schlachtvieh, nicht aber Zug-, Zucht-