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den Voraussetzungen anders hätte ergeben können, maßgebend ist
daher nicht das mit rückwirkender Kraft nunmehr abgeänderte,
sondern das z. Z. der angefochtenen Entscheidung in Geltung gewesene
Recht. Auf Grund solcher Schlüsse kommt der II. Senat des RFH.s
(Bd. 10 8. 159) zu dem Ergebnis, die Rechtsbeschwerde als formell
unzulässig zu verwerfen, obwohl der Fall noch nicht rechtskräftig ent-
schieden war und obwohl der RFH. die Gesetzesänderung berück-
sichtigen müßte, falls er aus irgendeinem anderen Grunde die Vor-
entscheidung aufgehoben und in der Sache selbst entschieden hätte 19
(a. a. OÖ. S. 160). Dieser Standpunkt wird anscheinend auch inner-
halb des RFH.s nicht voll gebilligt: in einem ähnlich, wenn auch nicht
gleich gelagerten Fall (Bd. 10 S. 256) gelangt der VI. Senat zu einem
anderen, m. E. gerechteren Resultat. „Der Absicht des Gesetzgebers
würde es widersprechen, wenn nicht auch in der Rechtsbeschwerde-
instanz das neue Recht zur Geltung käme, sondern trotz der Be-
stimmung über die Rückwirkung des Gesetzes lediglich deshalb, weil
z. Z. des Erlasses der Vorentscheidung das Gesetz noch nicht ver-
kündet (richtiger: in Kraft) war, die Prüfung der Vorentscheidung
nach dem bisherigen Rechte erfolgen würde.“ Freilich lag dieser Fall
insofern anders, als der vom II. Senat entschiedene, als hier das rück-
wirkende Gesetz dem Steuerpflichtigen unter allen Umständen das
Recht einräumte, die neue Norm auf sich anwenden zu lassen und ihm
für den Fall, daß über seine Sache bereits rechtskräftig entschieden
war, einen Erstattungsanspruch gewährte, während es bei dem Tat-
bestand des ersten Urteils trotz der Rückwirkung des Gesetzes bei
abgeschlossenen Steuerfällen nach altem Recht sein Bewenden
haben sollte. Nichtsdestoweniger haftet dem Urteil des Il. Senats ein
ungerechtfertigter Formalismus an: es widerspricht dem Wesen der
Rückwirkung eines Gesetzes, dieses nicht auf Tatbestände anzuwenden,
solange die Vorentscheidungen noch nicht zur Rechtskraft erwachsen
sind; erst wenn der Einzelfall rechtskräftig entschieden ist, kann auch
die rückwirkende Aenderung einer Entscheidungsnorm eine Neuauf-
nahme des Verfahrens nicht mehr herbeiführen, sofern nicht das Ab-
änderungsgesetz selbst die Möglichkeit hierzu durch die Gewährung
von Erstattungsansprüchen oder die Zulassung von Nachveranlagungen
0 Daß diese Entscheidung zum gleichen materiellen Ergebnis gelangt
wäre, wie das nach altem Recht ergangene Urteil der Berufungsinstanz,
spielt für die Beurteilung des formellrechtlichen Inhalts des Er-
kenntnisses, der hier allein in Frage steht, keine Rolle.