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es sich wirklich um eine nach dem neuen Recht zu beurteilende Ver-
fahrensverletzung handeln, so hätte der Senat prüfen müssen, ob nicht
wenigstens er selbst die Sache nach den neuen Grundsätzen hätte er-
ledigen müssen. Diese Frage hätte er m. E. bejahen müssen, denn
das Verfahren ist nach denjenigen Grundsätzen abzuwickeln, die zur
Zeit der Prozeßmaßnahme, nicht aber zur Zeit der Tatbestandsver-
wirklichung, über die der Prozeß entstanden ist, gelten. In Wirklich-
keit handelt es sich in $ 212 Abs. IV aber gar nicht um eine Ver-
fahrensvorschrift, sondern um die Begründung und Verneinung m a-
terieller Rechtsansprüche; nicht das Neuveranlagungsverfahren ist
prozessual unzulässig, sondern der Anspruch, der im Neuver-
anlagungsverfahren geltend gemacht wird, istsachlich unbegründet.
Als materielle Anspruchsvoraussetzung hat $ 212 Abs. IV allerdings
keine rückwirkende Kraft, weil ihm eine solche nicht ausdrücklich
beigelegt worden ist; und so kann man dem Ergebnis der Ent-
scheidung zustimmen, wenn auch die Begründung (deren Sätze in
diesem Zusammenhang allein wichtig sind) auf zwei sich aufhebenden
Fehlschlüssen beruht.
Das zuletzt genannte Urteil leitet zu der wichtigen allgemeinen
Frage über: wie wirkt eine Aenderung der Rechtsnormen ohne
rückwirkende Kraft, die während eines schwebenden Verfahrens ein-
tritt, auf die Entscheidung der Verwaltungsbehörden und -gerichte
ein? Bei der Beantwortung dieser Frage wird man zunächst zu unter-
scheiden haben, ob es sich lediglich um die Beurteilung eines in der
Vergangenheit bereits abgeschlossenen Tatbestandes handelt,
dessen Rechtsfolgen von der Behörde einwandfrei festgestellt wer-
den sollen, oder ob gerade erst durch den Ausspruch der Behörde ein
verwaltungsrechtlicher Tatbestand geschaffen werden soll, der seine
Folgen auf die Zukunft erstrecken wird. Im erstgenannten Fall hat
die Veränderung der Norm (wenn sie nicht mit rückwirkender Kraft
erfolgt) grundsätzlich keinen Einfluß auf den Spruch des Verwaltungs-
richters; insbesondere geht die Aufgabe des Rechtsmittelverfahrens
nicht weiter, als die Veranlagung so richtig zu stellen, wie die Ver-
anlagungsbehörde hätte entscheiden müssen, wenn sie zur Zeit der
Veranlagung die bessere Einsicht der Rechtsmittelbehörde be-
sessen hätte (RFH. Bd. 5 S. 134); ist dagegen die Entscheidung
bestimmt, zukünftige Verhältnisse zu regeln, so „hat der Ver-
waltungsrichter dasjenige Öffentliche Recht anzuwenden, das zur
Zeit der Urteilsfindung besteht, soweit das Gesetz nichts anderes