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vorschreibt oder zum erkennbaren Inhalt hat“ (Bd. 4 S. 190). Diese
beiden Leitsätze wird man für die Beurteilung des materiellen
Rechts als Richtschnur anerkennen können; für das Verfahrens-
recht bedürfen sie gewisser Modifikationen: Tatbestandsverwirklichung
und verwaltungstechnische Erledigung eines Steuerfalles sind zu trennen;
die Weiterleitung des Verfahrens ist nach den im Augenblick der
Verfahrensentscheidung geltenden Vorschriften vorzunehmen, gleich-
gültig ob diese z. Z. der Verwirklichung des materiellen Tatbe-
standes schon in Kraft standen oder nicht. Stellt z. B. die Be-
rufungsinstanz fest, daß angesichts eines bestimmten Einzelfalles nach
dem Erlaß der ReichsAbgO. nur ein vorläufiger Bescheid ergehen
darf, so hat sie den Bescheid der ersten Instanz entsprechend abzu-
ändern, ohne daß es einer Prüfung bedarf, ob von der Veranlagungs-
behörde vor Inkrafttreten der AO. dieses Verfahrensmittel hätte an-
gewandt werden dürfen (Bd. 2 S. 343). — Noch weiter geht der
RFH. in seinem Urteil Bd. 8 S. 317 fi.: Hier hatte ein Landesfinanz-
amt sich einen offenbaren Verfahrensfehlspruch zuschulden kommen
lassen, indem es selbst eine Beschwerdeentscheidung erließ, anstatt
die Sache in das Berufungsverfahren überzuleiten; bis zur Urteils-
fällung durch den RFH. war aber durch Erlaß des Reichsfinanz-
ministers bestimmt worden, daß in Zukunft (!) derartige Fragen im
Beschwerdeverfahren entschieden werden sollten. Der RFH. sah sich
vor die Frage gestellt, ob er die Sache zur nunmehr (!) korrekten
nochmaligen Beschwerdeentscheidung an das LFA. zurückverweisen
oder deren zunächst irrtümliche Entscheidung als die für die Zukunft
allein gebotene aufrechterhalten solle. Er wählte mit Recht den
letzteren vom streng formalistischen Standpunkt vielleicht inkorrekten
Weg: „eine Entscheidung lediglich aus einem formellen Grunde auf-
zuheben und, da dieser formelle Grund für die Zukunft nicht mehr
in Betracht kommt, die gleiche Entscheidung der gleichen Stelle noch-
mals herbeizuführen, widerspricht dem Wesen des Steuerprozesses, das
eine Ueberspannung der Anwendung der für das Rechtsmittelverfahren
bestehenden Formvorschriften nicht verträgt“ (a. a. O. 8. 319 f.). Aller-
dings dürfen in einem solchen Falle dem Beschwerdeführer die Kosten
des Verfahrens vor dem RFH. nach $ 295 AO. nicht auferlegt werden;
es wäre erwünscht gewesen, wenn das Urteil diesen Punkt ausdrücklich
klargestellt hätte. —
In diesem Zusammenhange sei auch ein staatsrechtlich besonders
wichtiges Urteil des RFH.s teilweise besprochen: das Gericht beschäftigt