Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 45 (45)

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gemein geprüft worden wäre, ob und inwieweit die Finanzbehörden 
und Finanzgerichte nach der Auffassung des RFH.s ermächtigt sind, 
einer Norm deshalb die Anwendung zu versagen, weil sie einer anderen 
höheren Ordnung widerspricht. Grade über die Bedeutung und 
den Umfang des sog. ‚„richterlichen Prüfungsrechts“ im 
Bereich der Reichsfinanzverwaltung sind aber vom RFH. mehrere 
bemerkenswerte Entscheidungen erlassen worden. $ie sollen nach 
folgenden Gesichtspunkten gruppiert werden: Inwieweit sind die Finanz- 
verwaltungsbehörden befugt, die Rechtsgültigkeit von Gesetzen 
und Verordnungen nachzuprüfen? Inwieweit steht den mit richter- 
licher Unabhängigkeit ausgestatteten Finanzbehörden, insbesondere dem 
RFH, selbst, das Recht zu solcher Prüfung zu? Nach welchen Grund- 
sätzen ist im einzelnen die Prüfung vorgenommen worden? 
Bezüglich des Prüfungsrechts der Steuerverwaltungsorgane 
weicht die grundlegende Entscheidung des IV. Senats (Bd. 7 8. 97) 
nicht von der herkömmlichen Meinung ab; sie enthält aber mehrere 
wichtige Klarstellungen: Der Reichsfinanzminister ist nach 8 13 ITAO. 
befugt, den Landesfinanzämtern (wie den Finanzverwaltungsbehörden 
überhaupt) Anweisungen zu erteilen, denen die nachgeordneten 
Stellen zu folgen verpflichtet sind. Diese Pflicht besteht für die 
Landesfinanzämter auch dann, wenn sie als Rechtsmittelbehörden (im 
Anfechtungsverfahren) zur Entscheidung berufen sind, denn auch als 
Rechtsmittelinstanz bleiben sie Verwaltungsbehörden, denen richter- 
liche Unabhängigkeit nicht zukommt. Aus dieser Pflicht der dem 
Finanzminister untergeordneten Instanzen, die Anweisungen der Zentral- 
behörde ohne weitere Nachprüfung ihrer Rechtsgültigkeit zu beachten, 
folgt a fortiori auch die Pflicht, die im Reichsgesetzblatt verkündeten 
Gesetze, „welche durch die Form der Verkündigung das verfassungs- 
mäßige Zustandekommen verraten,“ als rechtsgültig anzusehen und 
demgemäß anzuwenden. Der RFH. gesteht also den Verwaltungs- 
behörden wohl das Recht zu, bei Gesetzen das Vorhandensein der zur 
Rechtsgültigkeit erforderlichen äußeren Formerfordernisse nachzuprüfen, 
er versagt ihnen aber eine Prüfungsbefugnis sowohl dahin, ob die im 
Reichsgesetzblatt veröffentlichte Verkündigungsformel den Tatsachen 
entspricht (ob also z. B. wirklich ein „Beschluß“ des Reichstags er- 
gangen ist), wie auch, ob ein Gesetz dieses Inhalts überhaupt ergehen 
durfte, ob insbesondere nicht Verfassungsgrundsätze dem Erlaß ent- 
gegenstanden. Analoges hat für die Prüfungsbefugnis bei Verordnungen 
zu gelten: sie beschränkt sich darauf, festzustellen ob die Verordnung
	        
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