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im Gesetze enthalten wäre, sei es, daß sie das Gesetz nach irgend-
einer Richtung hin erweitert, sei es, daß sie Lücken des Gesetzes er-
gänzt, oder endlich, daß sie in wirklichem Widerspruch zum Gesetze
steht? Ist dies bejaht, so ist weiter zu untersuchen, mit welchem
Anspruch auf Wertung tritt die zu überprüfende Norm auf? Will
sie als Rechtsnorm angesehen werden, die auch den Verwaltungsrichter
bindende Rechtssätze enthält, oder soll sie lediglich als Verwaltungs-
anordnung, als „Anweisung“ an die nachgeordneten Behörden gelten,
zu deren Beachtung neben dem Gesetze der Verwaltungsrichter von
vornherein nicht verpflichtet ist? Soll die fragliche Bestimmung als
Rechtsverordnung gelten, so sind zwei weitere Fragen zu unterscheiden;
zunächst: besteht überhaupt eine gesetzliche (oder gar verfassungs-
mäßige) Ermächtigung!**, die es der anordnenden Stelle gestattet,
eine Norm dieser Art und dieses Inhalts zu erlassen? Sodann: hat
der Satz, dessen Gültigkeit angezweifelt wird, die Grenzen dieser Er-
mächtigung eingehalten und zwar sowohl hinsichtlich der Formerforder-
nisse wie auch des materiellen Inhalts? — Fast zu allen diesen Fragen
hat der RFH. sei es ausdrücklich, sei es stillschweigend Stellung ge-
nommen.
Eine Besprechung der Gründe, aus denen der RFH. im Einzelfall
zu dem Ergebnis gelangt, eine Verordnung stehe in irgendeiner Hin-
sicht im Widerspruch zu einer übergeordneten anderen Norm, ist hier
nicht erforderlich; es handelt sich dabei um die Auslegung steuer-
rechtlicher Einzelbestimmungen, die vom Standpunkt des allgemeinen
Staatsrechts aus kein Interesse beanspruchen können. Bedeutsam da-
gegen ist in diesem Zusammenhang die Wertung der so beanstandeten
Bestimmungen; die Rechtsprechung des RFH. steht hier auf dem
Boden der allgemein herrschenden Lehre, die zwischen Rechtsverord-
nungen und Verwaltungsverordnungen unterscheidet. Freilich tritt
bei den Erkenntnissen, die sich mit der Unterscheidung dieser beiden
Kategorien beschäftigen, mehr der prozessuale Gesichtspunkt in
ı2° Darüber hinaus könnte man noch fragen, ob der Gesetzgeber
seinerseits ermächtigt war, eine solche Ermächtigung zum Erlaß von
Rechtsverordnungen überhaupt zu erteilen, vorausgesetzt, daß man sich die
sehr weitgehenden Forderungen TRIEPELS (vgl. dessen Referat auf dem
32. Deutschen Juristentag, Verhandlungen Bd. II S. 17ff.) und anderer zu
eigen macht. Soweit ich die Judikatur des RFH. übersehen kann, hat das
der REH. bisher noch nicht getan, so energisch er sonst grade bei Rechts-
verordnungen sein Prüfungsrecht ausübt,