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Uebertragung (Delegation) zusteht.“ Speziell für den Reichsfinanz-
minister ist die Befugnis, Rechtsverordnungen zu erlassen, auch nicht
aus Art. 77 n. RV. herzuleiten: nach dieser Bestimmung „erläßt die
zur Ausführung der Gesetze erforderlichen allgemeinen Verwaltungs-
vorschriften, soweit die Gesetze nichts anderes bestimmen, die Reichs-
regierung, die hierbei, soweit es sich um Steuergesetze handelt, gemäß
Art. 56 RV. von dem Reichsminister der Finanzen vertreten wird“ '.
Da diese Bestimmung dem Art. 7 Z. 2 a. RV. wörtlich nachgebildet
ist, könne aus ihr, ebensowenig wie nach altem Recht für den Bundes-
rat, jetzt für die Reichsregierung ein allgemeines Rechtsverordnungs-
recht hergeleitet werden. — Man wird diesem Ergebnis im Hinblick
auf die Erörterungen im Verfassungsausschuß (vgl. die Angaben bei
Anscaürz, n. RV. Art. 77 Anm. 1a) unbedenklich zustimmen dürfen,
wenn auch die Praxis des Reichsfinanzministeriums sich vielfach nicht
streng an die ihr gesetzten Grenzen gehalten hat.
Hiernach ist für jede Verordnung, die mit dem Anspruch auf-
tritt, als Rechtsverordnung Beachtung zu finden, eine besondere
Ermächtigung zu fordern; diese Ermächtigung kann freilich auch
durch allgemeine Klauseln für den Einzelfall erteilt sein; das
ist namentlich der Fall, wenn ein Steuergesetz dem Reichsfinanzminister
(eventuell unter Zustimmung des Reichsrats) allgemein das Recht
überträgt, Ausführungsbestimmungen zu erlassen. Damit
erhebt sich die staatssteuerrechtlich wichtige '* Frage: welche Rechts-
13 Ob die Verwaltungsvorschriften des Art. 77 nur von der Reichs-
regierung, d. h. dem Gesamtministerium in kollegialer Beschlußfassung,
oder auch von dem zuständigen Einzelminister erlassen werden können,
ist in der Literatur streitig (für ersteres ANSCHÜTZ, n. RV. Art. 77 Anm. 2,
GIESE, n. RV.® Art. 77 Anm. 4; für letzteres TRIEPEL, Arch. f. ö. R. 39
S. 482, wohl auch PoEtscH n. RV. Art. 77 Anm. 2). Der RFH. entscheidet
sich hier (allerdings ohne auf die Streitfrage genügend einzugehen) für die
freiere Auffassung; mitRecht: grade beim Erlaß von Verwaltungsanordnungen
muß sich die Selbständigkeit der Reichsminister in ihrem Geschüftszweig
am ersten zeigen,
ı# Wichtig deshalb, weil die Steuergesetze in ihren Schlußbestimmungen
allgemein eine besondere Ermächtigungsklausel für den Erlaß von Aus-
führungsbestimmungen enthalten. Diese stützen sich daher nicht auf
Art. 77 n.RV. Letzterer Bestimmung kommt im Finanzrecht nur insofern
Bedeutung zu, als die Spezialermächtigung ausnahmsweise einmal fehlen
kann; das ist z. B. in dem Kohlensteuergesetz von 1917 der Fall, zu dem
die Entscheidung Bd. 10 S. 272 (s. o. im Text) ergangen ist.