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vorläufig abgeschlossen, es steht dem Minister nicht frei, sich an den
Reichstag zu wenden, wenn dieser lückenhaft gearbeitet hat. So bleibt
ihm nichts anderes übrig, als selbst die Arbeit zu leisten, die vom
Gesetzgeber versäumt worden ist; er kann das aber nur, wenn er
mit Rechtswirkung auch für den Steuerpflichtigen nach freiem
Ermessen bestimmt, was hinsichtlich dieser Lücke rechtens sein soll;
würden nun die Steuergerichte für befugt gehalten werden, der-
artigen Bestimmungen die Rechtsgültigkeit deshalb zu versagen, weil
sie im Gesetze keine Stütze fänden, so würden sie ihr Ermessen an
die Stelle der Erwägungen des Reichsfinanzministers setzen, oder mit
anderen Worten, sie würden sich einer Aufgabe unterziehen, zu der
sie staatsrechtlich nicht oder zum wenigsten nicht vor dem Exekutiv-
organ berufen sind, sie würden eine unzulässige Ermessenskontrolle
ausüben. — Und ferner: nicht selten läßt der Gesetzgeber absicht-
lich Lücken im Gesetz und ermächtigt durch Spezialdelegation die
Exekutivorgane (eventuell mit Zustimmung des Reichsrats), diese nach
freiem Ermessen auszufüllen. Daß den auf Grund solcher Sonder-
ermächtigung erlassenen Bestimmungen Rechtsverordnungscharakter
zukommt, ist übereinstimmende Meinung, der auch der RFH. wieder-
holt Ausdruck verliehen hat!? (vgl. II. Senat Bd. 2 S. 163): „Den
Charakter von Rechtsvorschriften kann eine Ausführungsbestimmung
ausnahmsweise dann erhalten, wenn sie erlassen ist auf Grund aus-
drücklicher Ermächtigung durch den Gesetzgeber zum
Erlaß einer Rechtsnorm.“ Ferner II. Senat Bd. 6 8. 79, wo freilich
das Vorhandensein einer Delegation zum Erlaß „materiellrechtlicher
Anordnungen“ erst durch Auslegung ermittelt werden muß; IV. Senat
15 Wie aber, wenn eine solche Spezialdelegation noch nicht ausgenutzt
ist, obwohl bereits Fälle vorliegen, zu deren Beurteilung und Erledigung
die im Gesetz vorgesehene Verordnung notwendig wäre? Der Il. Senat
(Bd. 4 S. 48) hält es in einem solchen Falle mit Recht für geboten, das
Gesetz auch ohne die ergänzende Verordnung zur Durchführung zu bringen:
S 23 Abs. II Ums.St.G. sieht eine Steuerbefreiung vor, wenn ein bestimmter
Nachweis durch eine Bescheinigung, „nach näherer Bestimmung des Reichs-
rats“ erbracht wird. Da der Reichsrat kurz nach Erlaß des Gesetzes noch
nichts bestimmt hatte, der Nachweis also auch nicht in dieser Form er-
bracht werden konnte, wollte die Verwaltungsbehörde die Befreiungs-
vorschrift überhaupt nicht anwenden. Der RFH. verwirft das: „es genügt,
daß der Nachweis, zu dem die Bedingung dienen soll, möglichst sorgfältig
in anderer Weise geführt wird.“