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spruchs sei aber kein Hoheitsakt (?) und daher stünde Art. 278 der
Durchsetzung der Kriegsabgabenverpflichtungen insoweit nicht ent-
gegen, als der Inanspruchgenommene am Stichtag noch unter das Ge-
setz gefallen sei und somit den Steuertatbestand erfüllt, die Steuer-
pflicht (besser Steuerschuld) begründet habe. — Es fällt schwer, in
diesen Ausführungen des III. Senats® keinen Widerspruch zu der
oben mitgeteilten Stellungnahme des I. (von Strutz beeinflußten)
Senats zu sehen, und es wäre besser gewesen, wenn der III. Senat
von den starren Grundsätzen des I. förmlich hätte abweichen wollen
und demgemäß eine Entscheidung des großen Senats in dieser politisch,
staats- und finanzrechtlich gleich wichtigen Frage herbeigeführt hätte.
So hat man den Eindruck der Halbheit und Unklarheit. Es ist richtig,
daß nach der AO. die Heranziehung zu einer Abgabe für die
Entstehung der Steuerschuld belanglos ist; aber ist nicht die
Heranziehung doch ein „Hoheitsakt“, der nach Art. 278, wie der Senat
ihn auslegt, unzulässig wäre? M. E. haben in der ganzen Frage nur
zwei Meinungen Anspruch auf Berücksichtigung: entweder man be-
jaht die Anwendbarkeit des Art. 278 auf Steuerforderungen, dann
muß man (sofern die Staatsangehörigkeit Tatbestandsmerkmal ist)
zur Abgabenfreiheit der ehemaligen Deutschen gelangen, soweit die
Ansprüche noch nicht vollständig durchgeführt worden sind; oder
aber man spricht dem Art. 278 die Bedeutung für den Einzel-
steuerfall ab, weil der Ausdruck „alligeance“ eine so weite Auslegung
nicht verträgt (und das scheint mir das allein Richtige zu sein), dann
muß man das Reich für berechtigt halten, seine Steueransprüche so-
weit zur Durchführung zu bringen, als deren Tatbestand nicht anderen
Normen des Friedensvertrages widerspricht.
In zwei anderen Urteilen versagt der I. Senat des RFH. Art. 278
Fr. V. die Anwendbarkeit mit zutreffenden Gründen: Bd. 2 8. 131
gegenüber einem Danziger, der sich nach dem klaren Wortlaut der
Bestimmung, die nur für die neuen Staatsangehörigen der alliierten
und assoziierten Mächte Bedeutung hat, gar nicht auf sie berufen kann;
Bd.3 8.61 fl. gegenüber einem Polen, der nicht durch den Friedens-
vertrag die neue Staatsangehörigkeit erworben hatte, sondern sie bereits
vor dessen Inkrafttreten besaß, der daher auch gar nicht unter die
verschiedenen Tatbestände des Art. 278 (bzw. 91) Fr. V. fällt. —
?® Denen der II. Senat Bd. 6 S. 194 ausdrücklich zustimmt, allerdings
wird hier die Frage der Zulässigkeit einer Beitreibung in den abge-
tretenen Gebieten besser behandelt.