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z. T. neue Straßen anzulegen, da die alten über holländisches Gebiet führten)
verlangsamt und damit zur Marnekatastrophe, d.h. letzten Endes, zur Nieder-
lage geführt hat (S. 43). Wenn Hollands Außenminister in einer Note
an England 1917 die Neutralität so umschrieben hatte: „l’impartialite est le
trait distinctif de la neutralite“, so zeigt JAPIKSEs auch sonst wertvolles und
hochinteressantes Buch, daß diese Erklärung nicht nur platonischer Natur
geblieben ist. Von Wichtigkeit für Politiker und Historiker sind die Schluß-
kapitel über die Friedensbemühungen, die Frage der Auslieferung Kaiser
Wilhelms und über die Rheinschiffahrt. ’
Univ.-Doz. Dr. Karl Strupp.
Wilson, MemoirenundDokumenteüber den Vertragvon
Versailles anno 1919, herausgegeben von K. St. Baker, ın
autorisierter Uebersetzung von Kurt Thesing, 2 Bände nebst einem
Dokumentenband, P. List, Leipzig, 1923/24.
Unter den zahlreichen Memoirenwerken, mit denen wir seit Kriegsende
überschüttet werden, verdient das vorliegende zweifellos mit an allererster
Stelle Beachtung. Weniger als Schlüssel zur Psychologie Wilsons. Denn
die Frage, ob der eben verstorbene Wilson der große Verbrecher oder der
beklagenswerte Schwächling war — eine Alternative, die in dieser Schärfe
häufig gestellt wird, ohne deswegen andere Auffassungen als ausgeschlossen
erscheinen zu lassen —, ist doch heute nur noch von höchst sekundärer
Bedeutung. Was aber dem Werke seinen Stempel aufdrückt und es — trotz
der oftrecht naiven Darstellungsweise — so turmhoch über alle Publikationen,
die sich mit den Vorgängen auf der Pariser Friedenskonferenz beschäftigen,
hinaushebt, ist die Tatsache, daß die Aufzeichnungen, die sich Wilson in
kluger Voraussicht dort gemacht und die Geheimprotokolle der Zehn, vor
allem aber der „Vier“, mit einer überraschenden Indiskretion dem Leser
vorgelegt werden. Das ist von einer Wichtigkeit, die gar nicht genug
unterstrichen werden kann. Vergessen wir doch nicht: Sind auf anderen
Kongressen Protokolle angefertigt worden, haben auf ihnen die Vertrags-
parteien, kontradiktorisch verhandelnd, die Normen festgesetzt, so handelt
es sich ja beim Versailler Instrument um die einseitige Fixierung von
Sätzen, die noch dazu in 2 fremden, inhaltlich gleichwertigen Sprachen
hinter verschlossenen Türen bei den wichtigsten Beratungen der „3“ meist
ohne offizielle Aufzeichnung der Vorgänge bei der Normenfestsetzung, und
selbst dann unter strengster Geheimhaltung dieser „Protokolle“, aufgestellt
worden sind. Um so bedeutsamer und um so wertvoller eben jene Vorgänge,
die Entstehungsgeschichte, die Motive zahlreicher Normen authentisch fest-
stellen zu können. Daß der tiefere Zweck der — wie man sie nennen möchte —
weltgeschichtlich bedeutsamsten Indiskretion die, übrigens in großem
Maße erreichte, Weißwaschung Wilsons ist, verschwindet hinter diesem Erfolg
der Publikation. Sie zeigt uns Wilson als den — namentlich nach seiner