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entschiedener und längst überwiegend im soeben dargelegten Sinne
beantwortet. Die Judikatur erkennt an, daß vertraglich geregelte
Unterhaltsrenten mit Rücksicht auf die Geldentwertung abänderbar
sind. Die Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse recht-
fertigt vermöge der clausula rebus sic stantibus, unter der solche
Verträge als abgeschlossen zu erachten sind, die Veränderung des
Nennwertes der Rente, um den Realwert der Leistung zu erhalten.
Die richtige, sinngemäße, Treu und Glauben entsprechende Aus-
legung 1% eines solchen Vertrages gelangt zu der Feststellung,
daß den Gegenstand des Vertrages nicht der angesetzte Betrag
bildet, „sondern die für den Unterbaltsberechtigten zu schaffende
Möglichkeit, sich eine gewisse Menge von Dingen, die er zur
Fristung seines Lebens unbedingt nötig bat, zu verschaffen;
welcher Betrag hierfür nötig ist, bestimmt sich nach dem jeweiligen
Stande des Geldwertes. Tritt nach der Festsetzung hierin eine
so wesentliche Aenderung ein, daß mit dem vereinbarten Betrag
die Beschaffung der bezeichneten Dinge nicht mehr möglich ist,
so wird der ganze Zweck des Vergleichs vereitelt. Da es als
Regel angenommen werden muß, daß solches dem Willen der
Vergleichsschließenden nicht entspricht, so läßt es sich in solchen
Fällen nicht umgehen, die Möglichkeit einer ergänzenden Aus-
legung zu erwägen, wie sie die neuere Rechtsprechung dem Richter
zur Pflicht macht“ !7.
21. März 1921 (Jur. Wochenschrift 1921, 1091); Entsch. des Oberlandes-
gerichts Augsburg vom 27. Januar 1922 (Jur. Wochenschrift 1922, 717 £.);
Eintsch. des Landgerichts Nürnberg vom 21. Mai 1921 (Jur. Wochenschrift
1921, 1101); Entsch. des Landgerichts Augsburg vom 16. Januar 1922 (Jur.
Wochenschrift 1922, 723); Entsch. des Landgerichts München vom 20. De-
zember 1922 (Jur. Wochenschrift 1923, 134 f.), des Landgerichts Gotha vom
8. September 1922 (Jur. Wochenschrift 1922, 133 f.), des Landgerichts Ulm
vom 5. Juni 1922 (Jur. Wochenschrift 1923, 137), des Landgerichts I Berlin
vom 22. Februar 1923 (Jur. Wochenschrift 1923, 460).
!® Vgl. auch die berühmte Entsch. des Reichsgerichts vom 21. September
1920 (Entscheidungen in Zivils. 100 129 ff.; Jur. Wochenschrift 1920, 961 £.)
und hierzu Tırze, Richtermacht und Vertragsinhalt, Vortrag, 1921.
17 So Entsch. des RGer. vom 26. Mai 1921 (WARNEYER ra 119),